Episode 171: Zeugin der Anklage – Agatha Christie trifft Billy Wilder
Ja, wir lieben Billy Wilder. Und Johannes „Old School Hollywood“ Franke kann auch nicht anders, als ihn immer wieder hervorzukramen. Diese Woche hat er Plor „Zeugin der Anklage“ aus dem Jahr 1957 mitgebracht: Murder Mystery im Gerichtssaal mit der großartigen Marlene Dietrich.
Und so genießen wir diese etwas atypische Agatha Christie Verfilmung, erfreuen uns an den zahllosen Plottwists, den eigenwilligen Charakteren und turbulenten Dialogen. In der passenden Topliste werfen wir noch mal einen genaueren Blick auf die besten Justizthriller und Gerichtsfilme aller Zeiten.
: Podcast: Der mussmansehen Podcast - Filmbesprechungen Episode: Episode 171: Zeugin der Anklage – Agatha Christie trifft Billy Wilder Publishing Date: 2024-04-10T01:05:46+02:00 Podcast URL: https://podcast.mussmansehen.de Episode URL: https://podcast.mussmansehen.de/2024/04/10/episode-171-zeugin-der-anklage-agatha-christie-trifft-billy-wilder/
Johannes Franke: Die Leitung dieses Podcasts empfiehlt Ihnen für ein größeres Vergnügen Ihre Freunde, die den Film noch nicht gesehen haben, niemandem das Ende von Zeugen der Anklage preiszugeben. War das 50er genug?
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Bitte noch den Spoiler-Dschingel.
Johannes Franke: Ah ja, der Spoiler-Dschingel, stimmt.
Florian Bayer: Ey, pst. Du.
Johannes Franke: Ja, du. Der nun folgende Programmteil enthält sensible Informationen über den Handlungsverlauf. Yay, Plur! Wir haben eine neue Folge.
Florian Bayer: Herzlich willkommen, liebes Publikum, zu einer neuen Folge des Muss-Man-Sehen-Podcasts, wo wir uns gegenseitig Filme zuwerfen.
Johannes Franke: Und uns gegenseitig zwingen, Filme zu gucken, die wir toll finden und von denen wir hoffen, dass sie den Horizont des Anderen erweitern. Genau,
Florian Bayer: und wir zwingen nicht nur den jeweils Anderen in diesem Podcast, sondern wir zwingen auch euch, das habt ihr wahrscheinlich jetzt schon gehört, wir spoilern nicht ganz gewaltig in dieser Episode,
Johannes Franke: sprich...
Florian Bayer: Gerade in diesem Fall, wenn ihr den Film noch nicht gesehen habt, Zeugen der Anklage von Billy Wilder aus dem Jahr 1957, dann bitte macht sofort aus. Ich will euch hier nicht mehr sehen, beziehungsweise ich will nicht mehr das Gefühl haben, dass ihr noch zuhört. Es ist nämlich wirklich ein Film, er gehört in die Reihe von Filmen. du guckst den, ohne das Ende zu wissen, dann macht der doppelt so viel Spaß, dreimal so viel Spaß. Auf jeden Fall, du musst den gucken, ohne das Ende zu wissen.
Johannes Franke: Siebenmal so viel Spaß, denn sieben Plot Twists hab ich gezählt.
Florian Bayer: Ja, einer der großen alten Plot Twist Filme aus einer Zeit, in der es noch gar nicht so viele Plot Twist Filme gab. Stimmt,
Johannes Franke: ja.
Florian Bayer: Vielleicht sogar ein Vorreiter auch für viele Plot Twist Filme von heute, aber darauf werden wir auf jeden Fall zu sprechen kommen. Johannes hat den Film vorgeschlagen.
Johannes Franke: Ich hab den Film vorgeschlagen, weil ich ein alter Schwarz-Weiß-Film-Fan bin.
Florian Bayer: Johannes, die alte Hollywood-Sau mit B-Wilder.
Johannes Franke: Ja, Billy Wilder, ich muss einfach diese ganzen Lücken, die ich bei Billy Wilder noch habe, alles schließen. Und ich habe diesen Film eben auch noch nicht gesehen.
Florian Bayer: Das hast du letzte Woche schon gesagt und ich war voll schockiert. Ich war wirklich überrascht, weil in meiner Vorstellung gibt es so in 50er Jahre Hollywood große Regisseure oder auch große Indie-Regisseure, der ja eher Billy Wilder vielleicht war auch teilweise.
Johannes Franke: Indie weiß ich nicht genau.
Florian Bayer: Indie ist zu viel gesagt.
Johannes Franke: Er war schon sehr oben angekommen.
Florian Bayer: Ja, er war oben, aber er hatte eine gewisse Unabhängigkeit. Er durfte sich ein bisschen mehr erlauben vielleicht als andere Regisseure.
Johannes Franke: Ja, das vielleicht.
Florian Bayer: Auf jeden Fall bin ich einfach überrascht. In meiner Vorstellung hast du die Filme alle gesehen. Also Billy Wilder, dein Katalog ist vollständig.
Johannes Franke: Ja, nein, das Spiel habe ich nicht durchgespielt. Wartet noch einiges auf mich. Billy Wilder hat auch nicht wenig gemacht.
Florian Bayer: Ich habe noch mal nachgeschaut. Das letzte Mal haben wir es falsch gesagt. Wir haben gesagt, es wäre erst der dritte Billy Wilder-Film. Es ist schon der vierte Billy Wilder-Film, über den wir sprechen. Ach du Scheiße. Wir haben nämlich über Boulevard der Dämmerung gesprochen. Ah. Im Jahr 1950, über Manche mögen es heiß aus dem Jahr 1959 und das Apartment aus dem Jahr 1960. Und dazwischen schmiegt sich jetzt dieser Film aus dem Jahr 1957.
Johannes Franke: Dieser Film ist vielleicht nicht unbedingt der allerbekannteste von ihm, obwohl es schon ein sehr bekannter Film ist. Aber wenn man über Billy Wilder redet, dann redet man schon eher über Boulevard der Dämmerung und über Manche mögen's heiß, oder?
Florian Bayer: Nein, nicht. Es... Ja. Das ist eine interessante Feststellung. Es ist tatsächlich der Film von Billy Wilder, den ich am besten kenne, würde ich behaupten. Wahrscheinlich sogar der Billy Wilder-Film, den ich am öftesten gesehen habe. Ist jetzt aber auch schon lange her gewesen.
Johannes Franke: Ist das ein Qualitätsmerkmal?
Florian Bayer: In diesem Fall ja, weil ich würde behaupten, das ist mein liebster Billy Wilder-Film.
Johannes Franke: Dein liebster Billy Wilder-Film? Ich glaube ja.
Florian Bayer: Also du hast mir eigentlich quasi einen Elfmeter gelegt diese Woche. Beziehungsweise dir auch. Ja, natürlich. Das Publikum kommt doch öfter auch mal vor, aber das fickt... ziemlich miteinander streiten, weil wir doch an einigen Punkten sehr unterschiedlichen Filmgeschmack haben. Johannes, wie gesagt, die alte Hollywood-Sau. Ich die alte, wie schräg kann es werden? Ja,
Johannes Franke: genau. Arthaussau. Japanisches Kino mit russischen Untertiteln.
Florian Bayer: Genau so. Aber ich glaube, das ist einfach, das ist so ein No-Brainer. Also Zeug in der Anklage. Und wir versuchen ja immer das Fazit so ein bisschen ans Ende zu packen. Aber ich glaube, es ist nicht zu viel verraten, dass wir beide diesen Film sehr lieben.
Johannes Franke: Ja, also ich bin total begeistert von dem Film. Es gibt allerdings zwischendurch immer mal so Dips und da möchten wir natürlich auch drauf eingehen.
Florian Bayer: Auf jeden Fall, wir werden das nicht komplett unkritisch abfeiern. Ich habe nämlich auch zumindest einen Gruß. Das ist ein Kritikpunkt, den ich aber jetzt ganz neu habe. Der war vorher ein kleiner Kritikpunkt. Der ist jetzt aber neu dazugekommen. Ich will noch nicht zu viel verraten, aber er hängt damit zusammen, weil ich jetzt in der Recherche für diesen Film zum ersten Mal erfahren habe, dass wir hier Agatha Christie vor uns haben. Das wusste ich nicht. Ich habe diesen Film wirklich oft gesehen. Mein liebster Billy Wilder Film. Ich hatte keine Ahnung. Die Vorlage, Agatha Christie.
Johannes Franke: Aber warum? Das steht auf dem Vorspann ganz groß.
Florian Bayer: Keine Ahnung. Das ist der Film,
Johannes Franke: der die Leute noch gezwungen hat, sich vorher durchzulesen, wer an dem Film beteiligt ist. Die können nicht flüchten. Die warten alle auf den Film. ...werden gezwungen, sich durchzulesen, wer den dritten Soundassistenten gemacht hat.
Florian Bayer: Und auf der Gartner Christi setzt sich der Film ja auch wirklich drauf, weil die Vorlage bekannt ist und auch das Theaterstück, was danach entstanden ist. Und er macht das schon ziemlich fett und das ist bis jetzt einfach an mir vorbeigeflogen. Nicht so wichtig, vielleicht habe ich auch einfach diesen Film zu oft so... eingeschaltet, wenn er gerade so im Gange war. Ich glaube, ich habe den auch sehr oft im Fernsehen gesehen. Es gibt auch Szenen, an die ich mich besser erinnere, als andere Szenen. Und zwar habe ich grundsätzlich das ganze Courtroom-Ding sehr präsent. Hatte ich sehr im Kopf. Und obwohl ich den Film relativ oft gesehen habe, ich hatte gar nicht mehr so eine Erinnerung, dass es doch zwei relativ große Rückblenden gibt, die in dem Film eingewoben sind. Und hat da auch nicht mehr in Erinnerung, dass es doch noch so ein etwas längeres Vorspiel gibt, bevor wir überhaupt zu dem großen Courtroom-Drama kommen. Ich finde,
Johannes Franke: das Vorspiel ist wahnsinnig großartig. Da hast du einiges verpasst.
Florian Bayer: Nein, ich habe nicht verpasst. Ich hatte es einfach nicht mehr präsent. Ich habe das schon gesehen. Ich kannte das auch irgendwie alles. Und ja, ich stimme dir zu, aber ich würde auch behaupten, die Stärke dieses Films entfaltet sich dann vor allem im Gerichtssaal.
Johannes Franke: Ja, also folgendes. Ich habe diesen Film jetzt nicht zum ersten Mal, sondern zum zweiten Mal gesehen, vor ein paar Wochen das erste Mal. Und habe dann gedacht, okay, der muss im Podcast landen. und habe ihn also jetzt nochmal geschaut, damit ich nochmal frisch rangehe. Und wenn du gerade bei Agatha Christie bist, ich habe das Gefühl, dass ich aus diesem Film die ganze Zeit Agatha Christies Stimme lese, höre. Obwohl unser Billy Wilder gesagt hat, Agatha Christie war gut darin zu konstruieren so ein Ding, aber im Dialogschreiben war sie nicht so gut und hat auch einiges umgeschrieben. Trotzdem habe ich immer wieder das Gefühl, voll die Agatha Christie Tropes rauszusehen. Oder... Geht nur mir das so?
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Also es spielt auf jeden Fall eine große Rolle. Also dieses Mörder-Mystery-Ding von Agatha Christie, was dann ja in ihren wirklich berühmten Büchern, und zwar zum einen natürlich die Orientex-Dress und zum zweiten der Monsieur Poirot. dass es halt nicht im Gerichtssaal stattfindet, sondern dass die Gerichtsverhandlung in Räume gepackt wird, in denen sich alle versammeln. Aber trotzdem, das hat es dann sehr viel von einem Plädoyer, wo die ermittelnde Person, entweder Miss Marple oder Poirot, sagt, und das habe ich herausgefunden und das habe ich herausgefunden und so bin ich zu Ihnen gekommen. Ich finde aber in so ein paar Punkten, auch in relativ wichtigen Punkten, unterscheidet es sich doch von diesen klassischen Agatha-Christie-Tropes. Und zwar vor allem in... In der Hinsicht, dass Agatha Christie sehr gerne auf diese Taktik der Vernebelung setzt. Bei Agatha Christie ist es so, du kriegst die ganze Zeit Happen vorgeworfen, die dich auf eine falsche Fährte lenken sollen. Sie liebt es, die Lesenden zu verunsichern. und auf falsche Fährten zu führen und mach das auch sehr bewusst, bis zu dem Punkt, dass es eigentlich bei Agatha Christie, dass du weißt am Schluss, du kannst nicht drauf kommen, wer der Killer ist. Du kannst einfach nicht drauf kommen, weil es zu viele falsche Fährten gibt und es macht Spaß dann zu hören, wie Miss Marple drauf gekommen ist.
Johannes Franke: Das krasse daran ist, Du kommst dir trotzdem total dumm dann vor, weil das so hergeleitet wird, dass du denkst, ja hätte ich doch wissen müssen, warum habe ich das nicht gesehen?
Florian Bayer: Ich finde es bei Akata Christi nie obvious. Und in dem Film ist es ein bisschen anders, weil es in dem Film, also nicht, dass man das Ende unbedingt erraten kann, er gehört auch zu den Filmen, wo ich das Ende nicht erraten habe, als ich ihn zum ersten Mal geguckt habe und umgehauen war. Aber es ist so, dass es relativ straightforward ist. Also es gibt nicht falsche Fährten, sondern es macht alles Sinn und es ist deutlich plausibler als in... anderen Agatha-Christi-Geschichten am Schluss. Weil es eben nicht noch drei Fährten gibt, die dich verunsichern, verwirren, sondern es ist ganz klar, war er es oder war er es nicht, nicht ein Who's done it, sondern es gibt nicht viele Optionen, was passiert ist. Und darum kreist sich einfach die Frage, also sehr konzentriert.
Johannes Franke: Ja, das stimmt. Trotzdem finde ich, dass sie uns gut durch diese ganze Beweisführung durchführt, die sie einfach ausmacht, die Agatha Christie einfach ausmacht. Allein, wenn er auf die Idee kommt, die Briefe erstmal zu verstecken, um sie dann damit zu konfrontieren. Das ist so ein typischer Agatha Christie.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Auch so dieses Spiel mit dem neurotischen Ermittler. Also in dem Fall ist ja unser Rechtsanwalt der Ermittler, was auch ganz spannend ist, weil er über seine Kompetenzen eigentlich hinausgeht. Über das, was er machen soll. Er wird quasi ja fast... zum Staatsanwalt in seinen... Er nimmt seine Leute, für die er arbeitet, ins Kreuzverhör mit diesem geilen Monokel.
Johannes Franke: Ja, ja, genau.
Florian Bayer: Und worauf wollte ich noch?
Johannes Franke: Du wolltest darauf hinaus, dass er quasi der Neurotische ermittelt.
Florian Bayer: Genau, er hat so diese Tics, die ihm aber helfen beim Ermitteln. Ja. Und er ist halt... so eine lustige Figur auch ein bisschen und sorgt auch viel für den Humor des Films. Das ist typisch, wie bei Miss Marple ja auch, die ja auch so ein bisschen schräg ist und Poirot auch, so mit dem Auftreten und wie sie sich geben und inszenieren und so weiter.
Johannes Franke: Wobei der große Verkaufsgrund für diese Neurotische ist ja seine Krankheit und die ist von Billy Wilder dazu gedichtet. Das kam im Buch eigentlich nicht vor.
Florian Bayer: Kommen wir mal ganz kurz auf das Buch, das ja eigentlich eher kein Buch ist, sondern so eine klassische, eine Palp-Kurz-Geschichte, die in einer Zeitschrift veröffentlicht wurde.
Johannes Franke: Kannst du kurz wenigstens auch... gleich im gleichen Atemzug die Geschichte ein bisschen erklären, dann kann ich dir derweil Tee eingießen. Wie wär's?
Florian Bayer: Sehr gerne. Bitte. Traitor's Hands heißt die Geschichte. Und nochmal, ihr habt alle die Spoilerwarnung gehört. Seid gewarnt. Es geht um einen Rechtsanwalt namens... Wilfried Roberts, der schon relativ alt ist, der Herzprobleme hat und der eher so auf Wunsch von einem Kollegen nochmal einen Fall übernimmt, obwohl er sich eigentlich schonen sollte. Und zwar geht es um Leonard Wohl, der des Mordes angeklagt ist. Und zwar soll er Emily French, eine alte Dame, ermordet haben. Und das Motiv ist ziemlich eindeutig und klar. Er war mit ihr noch gar nicht so lange befreundet und sie hat ihn zum alleinigen Erben ihres großen Vermögens gemacht. Und dieser Leonard Wohl hatte wohl auch Geldsorgen. Und es passt zusammen, dass er sie ermordet haben soll. Er beteuert seine Unschuld. Und sein Alibi ist seine Frau, Christine, eine Deutsche, gespielt von Marlene Dietrich, die er über alles liebt, was er auch mehrmals im Film in sehr pathetischen Worten sagt. Sie ist sein Ein und Alles. Und sie hat das Alibi für ihn, sie wird vor Gericht aussagen. Und es gibt allerdings schon von Sir Wilfrid so ein bisschen diese... Vorsicht, aber so eine Frau in den Zeugenstand zu holen, das ist nicht so geil. Deine überaus dich liebende Frau, wenn ich die als Zeugin habe, alle glauben, die würde einfach nur lügen, um dich freizukriegen. Und deswegen würde ich die eigentlich gar nicht gerne in den Zeugenstand nehmen. Lass uns mal gucken, was wir sonst noch machen. Jedenfalls kommt es zum Prozess. Also nachdem auch Sir Wilfried mit Christina auch ein bisschen geredet hat, die... tatsächlich sehr kalt rüberkommt und die Pflegerin von Sir Wilfried ist auch alles andere als angetan von dieser Christine, wie andere Leute auch in dem Film. Auf jeden Fall kommt es dann zum Prozess und überraschenderweise wird Christine zur Zeugin der Anklage, zur titelgebenden Zeugin der Anklage. Und es stellt sich heraus, sie ist gar kein Alibi, sondern sie weiß, dass er der Mörder war. Er war nämlich gar nicht zu Hause, als er zu Hause sein sollte, sondern ist später gekommen. Er hat ihr gestanden, dass er die alte Dame umgebracht hat und so weiter. Sie sagt vollumfänglich für die Anklage aus. Großer Skandal, große Aufregung. Dann bekommt allerdings Sir Wilfried von einer anonymen Frau Briefe zugespielt, in denen klar wird, dass Christine eine Affäre mit einem Max hatte. Und in diesen Briefen schreibt sie, naja, ich werde meinen Mann da jetzt so richtig reinreiten, dann kommt er ins Gefängnis und wir können endlich zusammen sein. Das ist es. Er legt diese Briefe natürlich vor Gericht vor, holt Christine nochmal in den Zeugenstand, macht sie so richtig runter, bis sie zugibt, ja, ich hab mir das alles ausgedacht, er hat ein Alibi und so weiter, er ist unschuldig. Der Prozess ist vorbei, Sir Wilfried hat gewonnen. Yes. Ah, boah.
Johannes Franke: Jetzt kommt der große Spoiler.
Florian Bayer: Jetzt kommt die große Überraschung.
Johannes Franke: Spätestens jetzt bitte abschalten, wenn ihr den Film nicht gesehen habt.
Florian Bayer: Nachdem der Prozess vorbei ist, ist Sir Wilfried schon so ein bisschen misstrauisch und redet dann nochmal mit Christine und es kommt heraus. sie hat sich das alles ausgedacht. Sie hat das alles gefakt. Und zwar sie hat sich verkleidet als diese Frau, die die Briefe überreicht. Sie hat die Briefe geschrieben und so weiter in Absprache mit Lennart. Nämlich, weil sie weiß, dass er schuldig ist. Und sie wusste, eine Zeugin, eine Ehefrau, eine liebende Ehefrau, der glaubt niemand, wie Sir Wilfrid ja auch vorausgesehen hat. Also hat sie dieses doppelbürdige Spiel gespielt, damit wirklich alle ihn für unschuldig halten. Ja. Aber es gibt noch einen finalen Plot Twist. Und zwar kommt dann heraus, dass Lennart... eine Affäre hat mit einer deutlich jüngeren Frau und dass er eigentlich von Anfang an vor hatte, Christine noch einmal für den Prozess auszunutzen und sie dann fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel, womit Christine nicht so glücklich ist und Lennart im Gerichtssaal ersticht. Ja,
Johannes Franke: ich glaube, es gibt noch mehr Plot-Twists, aber da kommen wir noch drauf. Das sind dann die kleineren Sachen, die dann noch dazukommen, die ich sehr, sehr süß finde, die einfach Billy Wilder wahrscheinlich einen Mordspaß gemacht hat, haben da reinzubauen.
Florian Bayer: Es gibt einen ganz gewaltigen Unterschied zwischen dem Film und der Vorlage und auch zwischen der Vorlage und dem Theaterstück. Nämlich das war die Reihenfolge, das Buch von Agatha Christie aus dem Jahr 1925, beziehungsweise die Kurzgeschichte wurde 1953 zum Theaterstück umgeschrieben. Und sie war wohl ziemlich gestresst davon, das umschreiben zu müssen. Und in diesem Theaterstück wurde dann wie im Film das Ende weggelassen. Und zwar dieses kathartische Ende, dass diese zweite Frau rauskommt. Und dass Christine Leonard umbringt. Im Buch endet es damit, dass Christine sagt, ja, ich habe mir das alles ausgedacht, weil ich genau wusste, dass er schuldig ist. Was auch so eine kleine Überraschung ist, weil Sir Wilfried denkt zuerst, sie hätte sich das ausgedacht, weil sie an seine Unschuld glaubt.
Johannes Franke: Was heißt eine kleine Überraschung? Das ist die große Überraschung. Alles andere ist ja hinten dran geklatscht als Option. Da noch und da noch.
Florian Bayer: Naja, auf jeden Fall, das Theaterstück wurde 1953 von Wallace Douglas produziert und lief sehr erfolgreich in New York. Also das war so der Sprung dieses englischen Stückes nach Amerika. Und ich glaube, da ist auch schon so was Amerikanisches dazugekommen. Und jetzt bewege ich mich schon in Spoiler. Region für meine Meinung. Ich glaube nämlich, das Ende in der Geschichte ist besser als das Ende im Theaterstück und das Ende im Film. Ich bin nicht glücklich mit dieser Katharsis. Ich finde, das ist sehr weich gespült, weil sie dem, weil sie so ein bisschen, das stinkt so danach. Oh, der böse Mörder und die böse Lügnerin müssen nochmal bestraft werden. Die können nicht damit davon kommen. Und das finde ich ein bisschen lame.
Johannes Franke: Ja, ja, ich verstehe, was du meinst.
Florian Bayer: Aber reden wir vielleicht gleich nochmal drüber. Genau, und dann wurde es von diesem Theaterstück Richtung Film adaptiert. Es wurde mehrmals hin und her verkauft. Also es gab, die LA Times hat dann irgendwie drüber geschrieben, dass es wirklich teuer war. Eines der teuersten Drehbuchrechte überhaupt. Und ist dann halt irgendwie in den Händen von... Arthur Humplo Jr. gelandet, der mit Billy Wilder zusammengearbeitet hat und das Ding mit Billy Wilder zusammen produziert hat. Billy Wilder als Regisseur, der... wie du schon gesagt hast, ein großer Name war in Amerika der 50er Jahre.
Johannes Franke: Und Billy Wilder hat sich irgendwie zum Ziel gemacht, einen Hitchcock zu drehen. Wie würde Hitchcock diesen Film machen, hat er sich gefragt. Und wollte wirklich so ein... Abklatsch klingt gemein, aber eine Imitation eines Hitchcocks Films. Und das Lustige ist, dass tatsächlich Hitchcock angesprochen wurde auf diesen Film. Ich habe ihren Film Zeugen der Anklage sehr geliebt. Und Hitchcock so, nein, das war Billy Wilder. Und Billy Wilder wurde dafür aber auch wiederum angesprochen, dass Leute Filme lieben, die aber Hitchcock gemacht haben. Was ich sehr süß finde.
Florian Bayer: Ich fände es vor allem witzig, weil es... Ich finde, als Hitchcock-Film ist er eigentlich gescheitert, weil er das wesentliche Element von einem Hitchcocks-Film, nämlich die Suspense, überhaupt nicht hat, sondern vielmehr das Mysterium. Bei Hitchcock weiß man vielmehr, was Sache ist.
Johannes Franke: Ja, das wesentliche Element hat er verkackt, indem er keine blonde Frau nach vorne gestellt hat.
Florian Bayer: Aber Marlene Dietrich ist doch ziemlich blond.
Johannes Franke: In dem Film kommt... Ja, Film, das weiß ich nicht, keine Ahnung. Ist es ein Schwarz-Weiß-Film?
Florian Bayer: Also ich habe Marlene Dietrich in diesem Film als sehr blond gelesen.
Johannes Franke: Aber als femme fatale sowieso.
Florian Bayer: Genau, und auch wirklich so als kühle Hitchcock. Plonne, das passt schon so. Sie ist auch so diese Kälte und gleichzeitig Schönheit und Attraktivität, die ja vor allem in den Rückblenden dann zum Tragen kommt, wo sie sagen, oh, wir haben Berliner Dietrich, was kann sie? Beine?
Johannes Franke: Sie kann Beine.
Florian Bayer: Sie kann Beine und sie kann singen. Und sie passt unglaublich gut in den Berliner Setting. Lasst uns das mal machen.
Johannes Franke: Ja, krass, Mann. Und ich habe das Gefühl, dass sie wirklich nur, sie haben viel Geld dafür ausgegeben, es hat 90.000 Dollar, glaube ich, gekostet, diese Szene mit 134 Leuten, die da saßen, als Soldaten verkleidet, die sie dann als Mob. quasi, naja, Massen vergewaltigen wollten, das aber nicht geklappt hat, weil die Polizei rechtzeitig gekommen ist. Ja,
Florian Bayer: das ist eine merkwürdige Szene.
Johannes Franke: Düstere Szene. Und das alles, glaube ich, echt nur damit Marlene Dietrich ihre Beine zeigen kann. Was zur Hölle ist das?
Florian Bayer: Und ihr berühmtes Lied singen kann. Ja. Einmal eingeenglicht, amerikanisiert, was ich aber trotzdem auch irgendwie ganz süß finde. Sie singt auf der Reeperbahn nachts um halb eins, also sie singt auch wirklich ein deutsches Lied, aber es kriegt einen amerikanischen Text und es ist Tatsächlich eine Szene, die die beiden rückblenden. Es gibt einmal eine Rückblende, wie Lennart die alte Dame kennengelernt hat, die Emily. Und einmal die Rückblende, wie er Christine kennengelernt hat. Die sind auch in den Film eingefügt, um das Ganze so ein bisschen aufzubrechen, damit es nicht so sehr Theaterstück ist.
Johannes Franke: Und es war halt sonst nur im Courtroom. Es gab eigentlich keine anderen Szenen außer im Courtroom. Ich finde es natürlich einen guten Gedanken für einen Film zu sagen, ja gut, lass uns mal gucken. Lass uns nicht 12 Angry Men machen, die wirklich nur da sitzen, sondern wir brechen das Ganze auf. Was wunderbar funktioniert. Also Billy Wilder macht das Ganze wunderbar. Also die Szenen bei dem Anwalt bei ihm in der Kanzlei finde ich total gut.
Florian Bayer: Die Einleitung ist einfach super. Er schafft es innerhalb von fünf Minuten, dass wir Sir Wilfried Roberts als diesen alten, kranteligen Kerl, der einfach nur in Ruhe gelassen wird und seine Zigarre rauchen will, dass wir ihn einfach mögen.
Johannes Franke: Das Tolle ist, in der ersten Szene im Auto. Ja. Hassen wir ihn.
Florian Bayer: Ich hasse ihn nicht.
Johannes Franke: Doch, am Anfang schon. Ganz am Anfang im Auto ist er nur grantelig. Und zwar auf eine Art und Weise, die echt nicht schön ist. Wirklich sagt, halt die Klappe, Hals, Maul, ich will nicht mehr hören, was du zu sagen hast. Und lass mich in Ruhe. Auf eine Art und Weise, die ich echt nicht gut finde. Und dann schafft er es aber, einen U-Turn zu machen und mir zu verkaufen, warum er so ist, wie er ist. Und ich finde ihn total süß.
Florian Bayer: Ich finde ihn total grantelig. Und er ist auch ein definitiven Frauenhasser. Er ist ein definitiver Arsch und so weiter. Und... Trotzdem finde ich ihn irgendwie in dieser Art, weil er ist halt auch so ein Sinnbild für so einen bestimmten Typ Mann. Die natürlich, ich würde den auch nicht gerne, ich würde den nicht gerne kennen. Ich will mit ihm kein Bier trinken.
Johannes Franke: Nein, nein.
Florian Bayer: Aber es ist witzig, diese Figur so in diesem Film zu sehen.
Johannes Franke: Das Tolle ist, warum ich glaube, dass wir auch wahnsinnig mit ihm mitgehen, ist, dass er so wahnsinnig viele Momente gibt, wo wir sehen, was für eine Leidenschaft er in diesem Beruf steckt. Ja. Das ist toll. Und ich glaube, das ist das große Verkaufsargument für ihn und für den Film und dafür, dass wir die ganze Zeit mitgehen. Weil er zwar am Anfang, vor allem wegen seiner Zigarren da unbedingt hin will, aber man sieht dann schnell, was ihn diesen Beruf machen lässt. Und das finde ich super, super, super wichtig und toll.
Florian Bayer: Das ist ja so ein bisschen Spiegelung von dem Typen, der ihn gespielt hat, Charles Lawton. Billy Wilder hat ihn besetzt und hat aber gehört, oh mit dem ist echt schwer zu arbeiten. Mit dem wird das nichts. Der ist furchtbar anstrengend, der ist ein totaler Exzentriker. Der hatte 1955 als Regisseur gearbeitet. Und zwar hat er nur einen Film als Regisseur gemacht, Night of the Hunter, wo er komplett gefloppt ist. Und der mittlerweile aber so retrospektiv sehr gelobt wird. Und er galt als schwieriger Mensch, mit dem man nicht arbeiten kann. Und Billy Wilder hat gesagt, nein. Es war komplett anders. Dieser Lotten war großartig. Der hat die ganzen Texte gelesen, der war voll drin, nicht nur in seiner Rolle. sondern auch in anderen Rollen. Er hat wohl auch die Texte von Marlene Dietrich gelesen.
Johannes Franke: Er hat ihr auch geholfen mit dem Akzent, den sie dann haben sollte, wenn sie die andere Dame ist und so. Er hat ganz, ganz, ganz tolle, viele Sachen gemacht. Und er hat, was ich ganz beeindruckend finde, jedes Mal nach jedem Drehtag sich mit Billy Wilder getroffen, hat mit dem geprobt, geprobt, geprobt für den nächsten Tag, vor allem wegen der Kurzroom-Szenen, die ja auch wirklich eindeutig zu setzen sind. und Motivationen durchgesprochen und gemacht und getan und nochmal überlegt und nochmal überlegt. Die haben wenig Schlaf bekommen und dann haben die 20 Varianten gemacht. Und am nächsten Tag ist der noch mit einer 21. Variante gekommen und die war die beste.
Florian Bayer: Und diese Leidenschaft merkt man, ne?
Johannes Franke: Ja, ist unglaublich.
Florian Bayer: Die Figur ist einfach saugut getroffen. Die Figur ist einfach witzig an den richtigen Stellen, wenn sie witzig sein soll. Intensiv an den richtigen Stellen, wenn sie intensiv sein soll. Und ja, so ein bisschen Misogynie ist dabei. So ein bisschen, also wenn er nachher Marlene Dietrich zusammenfaltet, dann ist das schon ziemlich hässlich, wenn er das Leier nochmal so richtig rausspuckt. Dann klingt er schon sehr böse, aber es ist ein witziger Typ und es ist halt auch irgendwie zum einen Hauptfigur und gleichzeitig aber auch Comic Relief.
Johannes Franke: Ja, richtig. Das ist eine seltsame Kombi, weil das ja normalerweise sagt man, naja, man braucht eine Figur, die straight durchgeht und der Comic Relief ist so beigeordnet. So wie bei Singing in the Rain, wo der beste Freund Cosmo Brown einfach der Comic Relief ist, aber nicht die Hauptfigur. Und du brauchst eigentlich eine Hauptfigur, die durchzieht. Aber an diesem Film funktioniert das sehr gut, weil er ernst genug ist, weil er die Sache einfach mit Leidenschaft anpackt. Und naja, dann ist es halt auch so ein bisschen eine Trope, muss man sagen. Der Anwalt, der seinen letzten Fall hat.
Florian Bayer: Der ist kurz vor der Pensionierung.
Johannes Franke: Genau, kurz vor der Pensionierung.
Florian Bayer: Kurz danach.
Johannes Franke: Und einer, der eigentlich sein Leben riskiert jetzt, weil er sich nicht aufregen darf und trotzdem da leidenschaftlich drinsteckt. Das ist schon ziemlich tropisch. Total. Na gut.
Florian Bayer: Und das ist vielleicht auch so ein Agatha Christie Ding. Bei Miss Marple haben wir das ja auch, dass sie auch viel Comic Relief ist, dass sie auch viele witzige Momente kriegt und trotzdem gleichzeitig die Hauptfigur ist, mit der wir mitfiebern. Und ja, also Billy Wilder ist einfach gut darin, das wissen wir ja, sowas miteinander zu verbinden, ohne dass es unnatürlich wirkt. Also das Komische und das Ernste funktioniert beides in dieser Rolle und funktioniert auch beides. durch den Film, du hast nie das Gefühl, es wird jetzt zur Farce, nur weil er im Gericht ganz dringend seine Medikamente braucht, sondern es bleibt irgendwie natürlich, es wirkt nicht komisch reingepflanscht.
Johannes Franke: Wollen wir mal durch die Figuren so ein bisschen durchgehen, wenn wir schon bei ihm sind. Ich finde ihn natürlich als Schauspieler großartig. Ich finde, dass er sich toll da reinbegeben hat und auch ganz viel mit anderen, wie gesagt, er hat Marlene Dietrich geholfen, ihren Cockney-Akzent zu kriegen für diese andere Figur, die sie da spielen soll. Sie kommt ja mit den Briefen, die gefälscht sind, in heavy Make-up und komischen, seltsamen Händen, die sie sich da irgendwie zusammengebastelt hat, dahin und gibt ihm die Briefe.
Florian Bayer: Es ist total mutig, dass das so inszeniert ist, dass Marlene Dietrich in dieser Rolle der Amerikanerin in relativ hellen Setting gezeigt wird. Die Vorlage und das Theaterstück setzen da viel mehr auf Schatten und viel mehr auf Verbergen und sie ist voll da. Und sie steht direkt neben Wilfried, wenn sie ihm die Briefe gibt, zeigt ihm sogar noch ihre Narben. Ja, und er gehört zu den Filmen, die mich wirklich überrascht haben, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe. Ich kann mich noch erinnern, ich habe sie nicht erkannt.
Johannes Franke: Ich habe sie auch nicht erkannt. Ich war auch völlig baff, dass sie das gewesen sein soll. Und ich habe auch gedacht, selbst nach dem ersten Gucken habe ich gedacht, ja, aber dann war das ja nicht sie, oder? Sie behaupten das jetzt und so, aber ich bringe das nicht übereinander, dass sie das wirklich gespielt hat. Aber nein, sie hat es wirklich gespielt. Und Orson Welles hat ihr auch noch geholfen bei Make-up und Kostüm.
Florian Bayer: Ja, krass. bevor es zum Nationalsozialismus kam, in amerikanischen Produktionen mitgespielt hat. Sie war so, glaube ich, der erste große deutsche Exportschlager für Hollywood. Und dann aber im Zweiten Weltkrieg extrem auf Seite der USA war. Sie hat die Stadtbürgerschaft angenommen, die Amerikanische hat gesagt, ich will mit Nazis nichts zu tun haben. Sie war auch so ein Role Model für, guckt mal, nicht alle Deutschen sind Nazis. Und das haben ihr viele Deutsche nie verziehen.
Johannes Franke: Was total absurd ist. Sie war, muss man dazu sagen, in diesem Film, sie ist 56 Jahre alt, Sie sieht nicht aus wie 56 Jahre. Überhaupt Das hängt vielleicht auch ein bisschen mit Plastik-Surgery.
Florian Bayer: Ja, das war ein großes Ding.
Johannes Franke: Ja, also das Lustige ist, sie hat sich ja nie irgendwie dafür geschämt oder so. Sie hat immer gesagt, ja, ja, ich habe jetzt gerade wieder so eine Operation hinter mir und hier und da. Und hat auch während der Dreharbeiten sich so versteckte Dinge ans Gesicht geklebt, damit die Haut nach hinten gezogen werden kann, damit sie straffer aussieht. Ja. Also Make-Up-Department hatte... einiges zu tun mit ihr.
Florian Bayer: Ihr Alter wird ja, also auch von der Figur wird ja durchaus thematisiert, weil Lennart nachher, wenn er mit dieser Affäre kommt, sagt, naja, du bist ja auch ein bisschen zu alt für mich. Aber während des Films, ja, sie sieht einfach nicht aus wie eine 56-Jährige. Und ich finde auch, natürlich spielt ein Schwarz-Weiß-Bild und Kameratechnik von damals und so weiter eine Rolle. Aber ich finde, sie sieht auch nicht geliftet aus. Nicht das, was ich so als typisches Lifting-Gesicht sehen würde. Ich finde,
Johannes Franke: sie
Florian Bayer: Ich finde, sie sieht gut aus.
Johannes Franke: Ich finde auch, dass sie gut aussieht.
Florian Bayer: Es wirkt nicht künstlich gestrafft, sondern es sieht natürlich aus.
Johannes Franke: Man hat ihr auch nachgesagt, dass sie dann dadurch, dass sie dieses Lifting hinter sich hat und dass diese ganzen Apparaturen quasi in ihrem Kopf unter der Perücke, die sie extra nochmal drüber ziehen musste, dafür gesorgt haben, dass sie keine Mimik zulassen wollte, damit das nicht auseinanderfällt. Was aber auch völliger Blödsinn ist, wenn wir die ganzen Courtroom-Szenen sehen, wie sie da völlig verzweifelt ist und sie einfach keine Angst davor hat, auch wirklich Mimik voll 100% oder 200% einzusetzen, um sich da reinzuwerfen in die Gefühle.
Florian Bayer: Auf jeden Fall total und es wird ja auch wirklich interessant erzählt, wie diese Figur kommt. Am Anfang haben wir sie so als eiskalte, wirklich berechnende und auch wirklich kontrollierte Frau, die wenig Mimik zeigt, die auch sagt, die ganz... klar macht, ich weiß, was Sache ist. Ich will das so regeln, ich will das so regeln, ich will das so regeln. Die komplett anders ist als das, was Lennart ankündigt. Das ist echt witzig. Lennart erzählt so in blühenden Worten von seiner Frau. Und dann kommt sie und sie ist wirklich so eiskalt.
Johannes Franke: Es ist unglaublich.
Florian Bayer: Und berechnend.
Johannes Franke: Sie ist so unglaublich mysteriös am Anfang. Du weißt überhaupt nicht, was die will. Was soll das? Warum formuliert die die Dinge so seltsam und so zwei-oder dreibödig sogar? Und der Anwalt erzählt natürlich dann auch, ich weiß nicht, was mit ihr ist, aber irgendwas stimmt da nicht. Und ich finde, dass sie das unglaublich gut spielt. Obwohl man dazu sagen muss, dass Billy Wilder gesagt hat, dass sie nicht wirklich eine richtig gute Schauspielerin ist.
Florian Bayer: Das ist echt hart. Ich finde, sie spielt das, was sie spielen soll in diesem Moment. Ich finde auch, sie ist anders als die Femme Fatales, die man so aus dem Film noch sieht. Sie hat auf jeden Fall Anknüpfungspunkte, aber für eine Femme Fatale ist sie dann doch zu offensichtlich berechnend. Die Kampfer-Tals, wie wir sie so kennen aus den klassischen North Rulern, tragen auch immer noch so ein bisschen dieses, ach, ich bin ja unschuldig. Ich bin ja eigentlich nur eine hilflose Frau. Und das Mysteriöse entsteht dadurch, dass wir wissen, nee, da steckt mehr dahinter. Aber bei ihr sehen wir schon von Anfang an, dass sie ziemlich clever ist und dass sie auch ziemlich klare Pläne hat.
Johannes Franke: Ich finde, dass sie das sehr, sehr, sehr gut spielt und dass sie einen großen Anteil daran hat, dass sie die ganze Zeit wissen will, was als nächstes kommt. Weil sie das so gut anteasert und man so sehr will, dass man hinter ihre Fassade guckt. Ja,
Florian Bayer: total.
Johannes Franke: Das ist toll.
Florian Bayer: Und sie hat ja eine Oscar-Nominierung. Sie hat keine Oscar-Nominierung. Das ist ja das Ding. Es gibt das Gerücht, dass es vielleicht auch daran lag, weil halt... Weil Billy Wilder nicht wollte, dass man weiß, dass sie diese andere Frau spielt, weil die komplett anders ist vom Auftreten?
Johannes Franke: Es ist nicht nur ein Gerücht. Ich bin mir 100% sicher.
Florian Bayer: Du bist dir 100% sicher?
Johannes Franke: Ich bin mir absolut sicher, dass es ruiniert hat, dass sie ihre Oscar-Nominierung bekommt. Ob sie ihn bekommen hätte am Ende oder nicht, ist eine andere Frage. Aber die Nominierung hätte sie bekommen, wenn nicht alle die ganze Zeit gesagt hätten, wir müssen hinterm Berg halten mit den Twists. die am Ende sind.
Florian Bayer: Aber das ist vielleicht dann auch ein Opfer, das Marlene Dietrich bringen muss in diesem Fall, weil das Geheimhalten ist wichtiger.
Johannes Franke: Ja, aber es betrifft sie nicht nur die Figur, die sie sonst noch spielt, also die zweite Figur, die sie spielt, die ja keine zweite Figur ist, aber die Verkleidung, sondern auch das Ende des Films. Da finde ich nämlich, ist sie am stärksten und da hat sie am meisten zu spielen.
Florian Bayer: Ja. Du meinst, wenn sie quasi ihr Fake-Geständnis abgibt? Genau. Dass sie gelogen hat und dann zusammenbricht und dann danach ja auch nochmal diesen wahren Zusammenbruch hat. Genau. Der sich ja auch ein bisschen unterscheidet von diesem Fake-Zusammenbruch. Ja,
Johannes Franke: das spielt sie, das setzt sie wahnsinnig gut ab. Zum einen dieser Fake-Zusammenbruch vor der Jury und dieser Switch, den sie da macht. Direkt an der Kamera stehend, hinten sitzt der Anwalt und sie... Sie überlegt genau, was sie jetzt sagt und wie sie es sagt und man sieht es in ihr Umswitchen. Es ist so gut gespielt. Und ich glaube, das hätte einen Oscar kriegen können.
Florian Bayer: Hätte einen Oscar verdient gehabt. Ich glaube, das hat 1957 keine Rolle bei der Oscar-Verleihung gespielt. Bei den Nominierungen, aber es ist trotzdem so ein Elefant in einem Courtroom, über den wir kurz reden müssen. Ihre Rolle ist cool, aber ihre Rolle ist sehr geprägt von einer sehr misogynen
Johannes Franke: Weltsicht. Absolut, absolut.
Florian Bayer: Sie ist wirklich sinnbild von dem, wie Männer Angst vor Frauen haben. Das berechnende Miststück, das ihren Mann verrät, dann das berechnende Miststück, das ihrem Mann... hilft, ihre Mörder, quasi die Mittäterin und dann am Schluss die, die ihre Gefühle nicht unter Kontrolle hat und deswegen auch noch einen Mord ausführt.
Johannes Franke: Es ist auf so vielen Ebenen fies. Es ist wirklich krass. Du hast es ganz gut zusammengefasst. Ich glaube, ich habe nichts hinzuzufügen. Es sind wirklich genau diese Sachen, die echt hart sind. So diese Frau, die auch ihren Mann ganz bedingungslos liebt. Absolut.
Florian Bayer: Das ist so krass. Es ist ja auch tatsächlich dieses Aussageverweigerungsrecht. Bei Frauen. Wir kommen ja aus einer Zeit, also mittlerweile ist das ja alles so erweitert worden auf Familienangehörige und so, aber wir kommen halt auch aus einer Zeit in den 50ern, wo das wirklich noch ernst genommen wurde, weil eine Frau ihrem Mann bedingungslos treu sein muss. Eine Frau darf nicht gegen ihren Mann aussagen, weil das wirklich, weil das gegen die religiösen und moralischen Sitten verstoßen würde, wenn eine Frau ihrem Mann hintergeht, indem sie ihm der Justiz ausliefert, selbst wenn sie Recht damit hat. Das darf nicht sein.
Johannes Franke: Das darf nicht sein. Und das krasse ist, dass Marlene Dietrich diese Rolle auch als ihre Lieblingsrolle oder zumindest ganz oben auf der Liste angesehen hat und zwar mit der Begründung, dass diese Frau ihren Mann bedingungslos liebt. Was eine seltsame Begründung.
Florian Bayer: Irgendwo auf der Welt ist eine kleine Feministin gestorben.
Johannes Franke: Ja, ja.
Florian Bayer: Es ist wirklich hart. Das Problem ist ja wirklich, dass wir von diesem einen Trope kommen, von dem wirklich harten. vom Fatalding, da geht ihnen, boah, was ist das für eine, krass. Und wir haben mehrmals in diesem Film, wo Leute sagen, boah, was ist das für eine, der darfst du nicht trauen. Und dann kommen wir von diesem Setting und dann fliegen wir ins Setting rein, sie macht alles für ihren Mann und trotzdem, der Film inszeniert es so, als ob sie schuldiger wäre als er. Dieses ganze Mording, er ist der Mörder, aber sie ist eigentlich die Bösere in diesem Moment sogar.
Johannes Franke: Weiß ich nicht, das hab ich so nicht gelesen. Aber vielleicht. Ich weiß nicht, in dem Moment kam mir das nicht so vor. Interessant finde ich, dass der letzte Twist, jetzt kommen wir zu den ganzen Twists schon, und wir sind noch nicht mal, naja, eine halbe Stunde haben wir schon, über eine halbe Stunde, dass am Ende der Anwalt, unterstützt von seiner Pflegerin, sagt, okay, komm, die hauen wir da raus, wenn sie ihre Verhandlung bekommt.
Florian Bayer: Geiles Rechtsverständnis. Ich habe nochmal Sir Wilfried, really? Und zwar... gibt es diesen Satz, she killed him. Und er dann killed him, executed him. Und das ist dieses, was ich schon so als weichblühend auch bezeichne, es ist so, er hat es verdient. Und natürlich, der Film erzählt uns, dass er es wirklich verdient hat.
Johannes Franke: Ja, natürlich.
Florian Bayer: Und sie hat es auch verdient, dafür vor Gericht gestellt zu werden. Aber gleichzeitig ist dieses, natürlich es gibt dieses...
Johannes Franke: Er bereitet schon die Verteidigung vor.
Florian Bayer: Er bereitet die Verteidigung vor, aber er exekutiert es echt kacke für eine Verteidigung, weil das wäre ein kaltblütiger Mord. Er will ja eigentlich Totschlag. Sie ist überwältigt von ihren Gefühlen und macht sie es quasi nicht bei sich selbst, als sie das macht. Und ich glaube sogar damit würde er durchkommen.
Johannes Franke: Ja, ja, ja. Ich weiß nicht genau, wie seine Verteidigung aussehen soll dann. Das können wir uns am Ende nochmal fragen, ob er sie dann am Ende des nächsten Films raushauen würde.
Florian Bayer: Ein bisschen plus im Vergleich zu dieser großartigen Christine und zu diesem großartigen Sir Wilfrid Roberts wirkt unser Leonard Waul, oder?
Johannes Franke: Ja, das ist ein bisschen traurig, weil dieser Mensch so wahnsinnig gehypt war damals und ein riesiger Star, der war wirklich wahnsinnig beliebt und irgendwie finde ich ihn einigermaßen blass. Obwohl er, muss ich dazu sagen, wahnsinnig gut den Unschuldigen spielt. Ich glaube ihm ganz, ganz viele dieser Emotionen von wie kann das nur sein, was soll das um Gottes Willen und das Schöne ist, Dass Billy Wilde die letzten zehn Seiten, in denen das alles aufgelöst wird, niemandem in die Hand gegeben hat, sondern gesagt hat, so, das machen wir dann, wenn es soweit ist. Sodass niemand wusste, wie das Ding enden soll.
Florian Bayer: Er hat Tyrone Power, so heißt der Darsteller von Leonard, nicht zugetraut, dass er spielen kann, wie dieser Leonard das Überraschtsein spielt.
Johannes Franke: Das ist so doof. Aber dafür, muss man schon sagen, spielt er das wirklich gut.
Florian Bayer: Er spielt das total gut. Tyrone Power ist halt so... Das ist halt ein Schönling, ne? Ja, der hat ja auch diese Abenteuerfilme gespielt, wo er irgendwie so schick zorre und so weiter. Aber das, was du sagst, das finde ich auch am Anfang. Also vor allem am Anfang wirkt dieses Naive, wirkt auch zum gewissen Grad gewinnend, weil es so im Kontrast steht zu der Christine. Voll. Weil er so wirklich so, ah ja und ich bin doch unschuldig und ah wie kann das sein und vielleicht ein bisschen drüber.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Aber er wirkt so sehr naiv und sehr, sehr, sehr leichtgläubig auch.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und dann gibt es natürlich diesen Switch dann am Ende des Prozesses, wenn er dann plötzlich der Durchtriebene ist und es funktioniert dadurch. Weil beides ein bisschen drüber ist. Aber ja, er ist vielleicht doch ein bisschen zu viel Schönling und zu gelackt, zu sauber. Im Vergleich zu den anderen Rollen.
Johannes Franke: Vielleicht ist es das. Ich kann aber auch tatsächlich nicht so richtig den Finger in die Wunde legen. Ich weiß nicht ganz genau, woran es hapert. Es könnte dieses Schönling-Ding sein, aber irgendwie ist er mir zu blass insgesamt auch.
Florian Bayer: Es ist halt auch dieses Charmeur-Ding. Wir haben ja diese Rückblende, wie er Emily French kennenlernt, sein späteres Opfer.
Johannes Franke: Was eine süße Szene ist.
Florian Bayer: Ja, es ist total süß. Aber es ist halt auch so, er spielt da voll den Charmeur. Wie er ihr zeigt, was für einen Hut sie anziehen soll. Und ihr dann zufällig im Kino begegnet.
Johannes Franke: Wir müssen mal über den Hut reden. Ja,
Florian Bayer: bitte. Du bist der Mutexperte von uns.
Johannes Franke: Ich weiß nicht, inwiefern du deine Gedanken gemacht hast.
Florian Bayer: Gar keine.
Johannes Franke: Aber der erste Hut ist viel besser als der zweite.
Florian Bayer: Keine Ahnung.
Johannes Franke: Also das möchte ich jetzt einmal festlegen, okay?
Florian Bayer: Ja, das nehme ich dir ab. Keine Ahnung.
Johannes Franke: Ich lege jetzt den Wert von X fest. Der erste Hut ist viel besser als der zweite. Ist das beabsichtigt von Billy Wilder, weil da schon Absicht hinter steckt bei ihm? Also steht er wirklich vor diesem Fenster, guckt sie an und denkt sich, okay, ich muss mich irgendwie an sie ran machen, indem ich ihr vielleicht einen anderen Hut empfehle. Aber der erste Hut ist... dummerweise der bessere, aber ich mach's trotzdem und ich sage, verkaufe ihr irgendwie, dass der zweite besser ist? Oder ist das alles nur in meinem Kopf und ich hab einfach ein persönliches Gefühl dafür und denke, nein, der erste war viel geiler?
Florian Bayer: Nee, ich glaub, das ist ein guter Punkt. Das ist, diese zwei Begegnungen mit ihr, die haben so was ein bisschen von Foreshadowing, weil es sind, es ist ein bisschen zu viel Zufall, ne? Man sieht, man hört diese Geschichte und denkt, was, und dann bist du ja, du hast zuerst mit ihr an der Straße geflirtet, das ist wirklich schon sehr gezielt, weil er geht da vorbei und schaut ins Schaufenster und sieht sie durch Zufall. und dann plötzlich, unerwarteterweise bist du im selben Kino wie sie, direkt hinter ihr. Und wenn man das so retrospektiv betrachtet, natürlich ist das von ihm eiskalt kalkuliert. Der wollte sich an sie ranmachen, der wollte sie für sich gewinnen, damit er an ihr Vermögen kommt. Und der Film erzählt, das ist das, was ich meinte mit so straightforward, im Nachhinein denkt man, ja, macht alles total Sinn, ist total plausibel, aber während die Szenen laufen wiederum, ist es so subtil genug, und natürlich auch seine Perspektive, seine Lüge, dass wir das total abkaufen und auch einfach wirklich niedlich finden und witzig.
Johannes Franke: Ja, ich find's toll. Also ich finde das eher tatsächlich dieses, auch dieses Heartbroken dann später im Courtroom, wenn sie sagt, ich hab ihn nie geliebt. Ja. Und er ist total verzweifelt und schreit dazwischen und nein, warum sagst du sowas, das kann doch nicht sein. Ich glaub ihm das hundertprozentig. Ja. Und er spielt das wirklich, wirklich toll, dieses Heartbroken-Ding und sich überhaupt nicht mehr wiederfinden in der Realität und überhaupt nicht mehr wissen, wo oben und wo unten ist.
Florian Bayer: Das ist absolut überzeugend. Das funktioniert. Seine Plassheit ist wahrscheinlich auch einfach rollenbedingt, weil wir zwei starke Figuren neben ihm haben.
Johannes Franke: Ja, vielleicht.
Florian Bayer: Die einfach von der Mentalität stärker sind. Christine ist einfach die stärkere Figur in dieser Beziehung. Das wird uns von Anfang an erzählt, weil er halt so sehr naiv ist und ach ja, kann ja eigentlich nichts passieren. Und sie aber schon ziemlich klar weiß, was Sache ist. Und dann zum zweiten haben wir halt als männlichen Gegenpol den Wilfried, der hat so mit diesem Monokel dann noch im Gefühl, dazu haben wir noch gar nichts gesagt, so geil wie er, diesen Plan Leute ins Kreuzfeld zu nehmen, das ist so total drüber und total dumm.
Johannes Franke: Wir haben auch überhaupt noch nicht über den Anfang wirklich ausführlich geredet, was ist mit dem Treppenlift, was ist mit der Zigarre, was ist mit diesem Monokel, ich finde das so toll, weil er am Anfang tatsächlich für mich rüberkommt als einfach nur renitent, ich habe keine Lust auf diese... Diese Krankheitsgeschichte, ich will mein Leben weiterführen. Und dann wird er auf diesen Treppenlift gesetzt und dann hat er das erste Mal so wie so ein kleiner Junge Freude mit diesem hoch und runter fahren und werden nochmal hoch und runter. Und dann kommen die Leute, um diesen Fall an ihn ranzutragen. Und er nimmt den Fall ja nicht. Das Fall ist wegen. Sondern der Zigarre-Weg.
Florian Bayer: Er will einfach nur seine fucking Zigarre rauchen. Und dann schwirrt auch noch diese ganze Pflegerin um ihn vor. Also vielleicht auch noch mal so ein bisschen, hier haben wir noch ein bisschen mehr Musikonie in dem Film, wie diese Pflegerin ist, die sich die ganze Zeit um ihn kümmern will. Und er will einfach nur in Ruhe seine scheiß Zigarre rauchen. Aber ich kann ihn so gut verstehen. Lass mich mal alle in Ruhe. Ich bin gerade aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen. Ich hab wahrscheinlich nicht mehr lange zu leben. Lass mich wenigstens diese eine scheiß Zigarre rauchen, bitte.
Johannes Franke: Übrigens war der im richtigen Leben mit dieser Pflegerin verheiratet.
Florian Bayer: Ja, Janet Heidemann. SC, gespielt von Elsa Lanchester.
Johannes Franke: Genau, Elsa Lanchester mit Evara zusammen. Und er als Mensch hat gedacht, nimmt man mir einen Herzinfarkt ab? Ich weiß ja nicht. Und dann hat er den vorgetäuscht, einfach mal so in seinem Haus bei seiner Frau und seiner Familie und hat geguckt, ob die ihm glauben. Und sie haben ihm geglaubt. Überraschung. Und dann musste er das auflösen. Das muss eine ziemlich awkward Situation gewesen sein.
Florian Bayer: Das macht man nicht cool.
Johannes Franke: Nein, nicht cool. Auf jeden Fall finde ich großartig, wie einfach an diese Zigarre will. Und dann will er einfach nur an ein Streichholz. Weißt du, er will eigentlich nie wirklich an diesen Fall ran, bis es dann wirklich zum Eins-Eingemachte geht. Ich finde es ganz toll, wie das von einem zum anderen, zum nächsten, was er will, was er will, was er will geht, was alles total trivial ist und nichts mit dem Fall zu tun hat.
Florian Bayer: Es macht einfach Spaß, ihm zuzugucken. Und das vielleicht nochmal in den Raum zu werfen, der Darsteller Charles Lawton ist drei Jahre älter als Marlene Dietrich in diesem Film, was so Altersabstände betrifft. Tyrone Power ist ungefähr mehr als zehn Jahre jünger als sie.
Johannes Franke: Und wurde trotzdem noch als zu alt angesehen. Ja,
Florian Bayer: das ist krass,
Johannes Franke: ne? Er war ja auch Heavy Drinker und hat... Ich weiß nicht, wie viele Zigarettenpackungen am Tag geraucht und so. Der war wirklich hart dran. Und der ist ja auch ein Jahr später gestorben.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Und das, naja.
Florian Bayer: Ach, das waren andere Zeiten.
Johannes Franke: Das waren andere Zeiten, ja.
Florian Bayer: Ja, auf jeden Fall ist dieses Figuren-Ausdruck sehr schön. Vielleicht nochmal kurz auf die Nebenfiguren ein. einzugehen. Ich mochte die Janet ja sehr.
Johannes Franke: Die Haushälterin.
Florian Bayer: Die Haushälterin von Emily French, die von Anfang an diesen Lennart nicht ausstehen kann.
Johannes Franke: Es ist super. Sie war ja auch die Einzige, die im Original drin war. Also in der...
Florian Bayer: Sie hat im Theater gespielt. Die Schauspielerin von der Janet war die Einzige, die es geschafft hat von der Bühne in diesen Film. Und zwar haben wir Juna O'Connor, die eine irische Schauspielerin ist. die auch schon mit Hitchcock zusammengearbeitet hat. Oh. Und die dieses einfach toll spielt. Und die natürlich auch nochmal, das ist dann vielleicht doch ein bisschen Agatha Christie-Nebel, so als Figur, die so die Hauptanklägerin ist quasi, die Hauptzeugin für die Anklage, wie es scheint. Wo man einfach weiß, natürlich, sie hasst Lennart, natürlich sagt sie das, natürlich sagt sie, sie hat gehört, wie er mit ihr geredet hat, natürlich sagt sie, der muss der Mörder sein, weil sie ihn einfach von Anfang an nicht ausstehen kann und ihm nie getraut hat.
Johannes Franke: Und ich muss sagen, dass das das Schwächste... Indiz eigentlich ist, was sie liefert, weil sie von Anfang an so dolle als schwerhörig eingeführt wird, dass man sofort denkt, oh Gott, was für ein blöder Haring. Weißt du, es ist so echt, na. Und das ist auch so typisch Agatha Christie, aber irgendwie, weiß ich nicht, ist das inzwischen so ausgelutscht. Dass jemand, der es nicht hätte hören können, weil er zu taub ist, oder jemand, der es nicht hätte sehen können, weil er zu weit weg war, wie bei 12 Angry Men. Oh, Spoiler, tut mir leid.
Florian Bayer: 50er Jahre, wir dürfen alles spoilern, was älter als 50 Jahre ist.
Johannes Franke: Und deswegen fand ich die Geschichte an sich mit der Haushälterin vor Gericht nicht so geil. Aber sie spielt das so geil, dass ich da voll Lust habe, mit ihr mitzugehen.
Florian Bayer: Es gibt so ein paar Gerichtsjobs, die wirklich ausgelutscht sind, die ich trotzdem liebe. Und ich liebe dieses, ich weiß auch, das passiert in keinem Gerichtssaal der Welt wahrscheinlich, aber dieses, ich habe eine Zeugin und muss nachweisen, dass sie das nicht gehört haben kann und ich stelle ihr eine Falle und tada, gotcha. So arbeitet denn keine Anwälte, kein seriöser Anwalt würde diesen Scheiß machen, aber es ist zu geil, das im Film zu sehen.
Johannes Franke: Wie er dann ein kleines bisschen zu leise einen Namen sagt und sie so, hä? Was?
Florian Bayer: Ich mag einfach diese Gacha-Momente und es passt total gut zu dem Anwalt und es passt gut zu diesem Gericht und ja, der Film steckt dann doch überraschend voller lustiger Momente, gerade auch in der Gerichtsverhandlung.
Johannes Franke: Dann haben wir noch die Schwester, die auf ihn aufpassen soll, also die Pflegerin, die finde ich also auch ein Urgestein Schauspielgröße, also sie ist wirklich großartig als Schauspielerin. Sie hat ganz tolle Sachen gespielt. ...in Mary Poppins mitgespielt, wenn ich das jetzt richtig erinnere.
Florian Bayer: Moment, du meinst Miss Plimsel, oder? Die Frau von... Genau,
Johannes Franke: Lancaster heißt sie.
Florian Bayer: Ah ja, genau, Elsa Lancaster.
Johannes Franke: Genau. Jedenfalls hat sie eine große Karriere hinter sich und spielt hier auch wieder ganz großartig, finde ich.
Florian Bayer: Sie hat eine Rolle im Gerichtssaal, und das ist immer zu sagen, deine Tabletten, deine Tabletten, aber sie macht das cool. Ja,
Johannes Franke: sie macht das sehr cool. Sie guckt da ganz nervös mit und läuft mit und guckt da mit. Und am Ende... kriegt sie noch einen kleinen Twist.
Florian Bayer: Oh, ja?
Johannes Franke: Weil sie ja den Kakao vorher prüft, ob das wirklich Kakao ist und kein Alkohol, den er sich da mitnimmt. Und dann beobachtet sie ihn die ganze Zeit von da oben, wie er seinen Kakao in Anführungsstrichen trinkt, weil wir ja sehen, dass der ausgetauscht wird, gegen Brandy. Und am Ende... Sagt sie dann, packt sie die Sachen zusammen und sagt, sie haben ihren Brandy vergessen. Und wir wissen, okay, die Frau ist einfach, die weiß einfach alles. Die steht über allem drüber.
Florian Bayer: Ja, ja, total. Muss sie, wenn sie mit einem solchen Typen arbeitet, sich um einen solchen Typen kümmert, dann geht es gar nicht anders. Ja,
Johannes Franke: und ich finde interessant, ihre Wendung am Ende ist ja nicht nur, dass sie weiß, dass das die ganze Zeit Brandy war, sondern... sie wird ja in diesen Fall reingezogen und sie ist dann wie, also als Krankenschwester sowieso, der wird ja niedergestochen. Der Mörder. Von seiner soon-to-be-ex-Frau. Und sie steht davor und ist eigentlich fast schon sehr kühl. Sie beobachtet es und weiß dann sofort, okay, ich muss diesen Griff machen, um rauszufinden, ob der noch lebt. Der ist überraschend schnell tot,
Florian Bayer: muss man sagen. Es reagieren alle sehr merkwürdig in dieser Szene. Das ist die einzige... Action-Szene, abgesehen von diesen komischen Soldaten. Ja. Es ist die einzige Action-Szene im Film. Und es ist so ein bisschen awkward, wie steif plötzlich alles... Also dieser Mord hätte verhindert werden müssen.
Johannes Franke: Definitiv.
Florian Bayer: Plötzlich kann sich keiner mehr bewegen.
Johannes Franke: Und ich glaube, es gab mindestens 50 Prozent der Leute, die da gestanden haben und gedacht haben, gehe ich jetzt dazwischen, vielleicht lasse ich es einfach auch. Bewusst.
Florian Bayer: Möglich, möglich.
Johannes Franke: Spätestens der Anwalt, finde ich. Und sie auch irgendwie, habe ich das Gefühl. Und dann... Wenn er dann sagt, nein, es war kein Mord, sondern eine Hinrichtung und damit schon die Verteidigung für die Frau vorbereitet, wird sie gewonnen von ihm. Vorher denkt sie immer, sie muss sich um ihn gesundheitlich kümmern und jetzt, verquere Moral kommt dazu, kümmert sie sich eher um die Frau und sagt, na gut, okay, der soll seine Aufgabe erfüllen und wenn er dabei stirbt, ist mir auch egal. Wichtiger ist, dass diese Frau da rauskommt, weil die hat es nicht verdient. Ja.
Florian Bayer: Hat sie?
Johannes Franke: Tja, das ist die große Frage.
Florian Bayer: Also ich finde, der Film erzählt uns schon so eine gewisse Genugtuung in diesem Moment. Und zwar nicht nur, was Lennart betrifft, sondern auch was Christine betrifft. Irgendwie freuen wir uns, also er stirbt und sie landet im Gefängnis. Irgendwie ist so die Gerechtigkeit hergestellt. Wir wollen, dass sie im Gefängnis landet, oder?
Johannes Franke: Wir wollen, dass sie im Gefängnis landet, weiß ich nicht ganz genau. Nein, eigentlich nicht. Nicht unbedingt. Auf jeden Fall finde ich es moralisch irgendwie seltsam, dass die Krankenschwester sich dann umentscheidet. Ja. Also es ist schon ein bisschen komisch zu sagen, ja, wir lassen den jetzt einfach sterben.
Florian Bayer: Ja, es ist so, genau.
Johannes Franke: Also das geht auf deine Frage hinaus. Soll man sie verteidigen und soll man sie nicht verteidigen? Auch wenn du die Frage so nicht gestellt hast, aber ich glaube, das war das, was du meinst.
Florian Bayer: Ich glaube, vielleicht ist er gar nicht tot. Vielleicht sagst du einfach, er ist tot, damit niemand mehr hilft. Sie stehen alle so steif daneben. Niemand macht was und vielleicht fühlt sie einfach und sagt, ja, ja, ist tot. Ich bin alles tot.
Johannes Franke: Aber das, also ich meine, realistischer Maßen muss man sagen, kann das echt sein, weil der stirbt nicht so schnell. Wenn du eine Wunde am Bauch hast von einem Messer, wirst du nicht von einer Sekunde auf die nächste einfach tot umfallen und das war's.
Florian Bayer: Bei so vielen Plot Twists könnte man ja noch einen finalen Plot Twist machen, dass die das auch inszeniert haben, weil er die Jungen loswerden wollte. Weißt du, Christine und Leonard, also er war so, Christine, Schatz, ich hab eine Affäre mit einer Frau, die ist aber so ein junges Ding, mit der kann ich überhaupt nichts anfangen. Aber ich weiß nicht, wie ich die loswerde, zumal die von unserem Plan weiß, pass auf, lass es uns so machen. Wir inszenieren einfach meinen Tod im Gerichtssaal.
Johannes Franke: Was ich zwischen dich übrigens gedacht habe, was ich mich gefragt habe ist, Christine kommt ja zum Anwalt und da kommt ihr dann angeblich die Idee, dass sie ja als liebende Frau keine Hilfe ist. Aber ihr Mann ist ja die ganze Zeit im Gefängnis, der ist ja in der Untersuchungshaft. Und es wird echt betont, dass sie nicht ein einziges Mal kommt, ihn zu besuchen. Das heißt, wann haben die sich abgesprochen? Gar nicht. Denn am Ende sagt der Ehemann, dass er nicht wusste, was sie vorhat, aber gewusst hat, dass sie irgendwas tun würde, um ihn rauszuhauen. Aber ich weiß nicht, wie realistisch das ist, dass das so gut aufeinander abgestimmt wird.
Florian Bayer: Es wird halt kaputt gemacht durch diese Affäre. davor, wenn wir sie so als totales Brain-Paar haben, funktionieren so gut zusammen, dass wir jetzt einen Plan machen können. Er frei improvisiert und da einsteigt, dann ist es total geil, wenn es einfach damit endet, Superschatz, das haben wir geschafft und jetzt lass uns die Welt erobern. Das ist total großartig. Aber dadurch, dass er dann... doch sagt, dass er sie abstoßen will. Ich finde, der Film verliert wirklich durch dieses Ende.
Johannes Franke: Das kann sein. Ja, das kann vielleicht wirklich sein.
Florian Bayer: Als homogenes, teufliches Paar, das wirklich, das einfach zusammen tickt und das weiß, was los ist, funktionieren die echt gut.
Johannes Franke: Wobei ich sagen muss, dass ich Billy Wilder total verstehen kann, dass er da Twist um Twist um Twist reinhauen will. Ich finde es total, also ich hätte auch als einfach eine kindische Freude, so viel da reinzuhauen. erster Twist, dass sie eigentlich die Frau war, die die Briefe übergeben hat. Dann der Twist, dass Christine mit Wohl zusammenarbeitet eigentlich, also dass die am gleichen Strick ziehen. Dann, dass Wohl überhaupt schuldig ist wirklich. Das ist ja auch ein eigener Twist. Da sind wir schon bei Twist 3. Bei Twist 4, dass er eigentlich eine andere hat. Dann Twist 5, dass Christine dann ihn umbringt. Das dreht die Geschichte ja auch nochmal um.
Florian Bayer: Und der wichtigste Twist von allen, es war kein Kakao. Die Haushälterin. Und sie wusste es, dass es kein, Miss Pimsel wusste, dass es kein Kakao war.
Johannes Franke: Richtig, aber das ist nur der sechste, es gibt noch einen siebten.
Florian Bayer: Du hast den Twist vergessen, dass sie quasi gegen ihn aussagt. Das ist ja der erste, damit wird das Ganze losgelöst.
Johannes Franke: Ja, das stimmt, das stimmt. Oh mein Gott, dann sind es ja acht, weil dann nämlich der Verteidiger ja schon an der Verteidigung der Frau arbeitet. Das ist auch ein Twist, finde ich.
Florian Bayer: Glaub, ich sag's in jedem Billy Wilder Film, den wir besprechen. Ja. Billy Wilder ist der Meister der K... kurzweiligen Filme. Kein anderer Regisseur aus der Zeit oder auch wahrscheinlich bis heute hat es so drauf, kurzweilig zu erzählen.
Johannes Franke: Ich muss dir die drei wichtigsten Regeln beim Filmemacher erzählen.
Florian Bayer: Darfst du gleich, ganz kurz, lass mich da einmal noch Billy Walder abfeiern und dann feierst du ihn nochmal ab. Und dieser Film, den guckt man fertig und guckt dann auf die Uhr und denkt, was? Der ging zwei Stunden fast. weil der ist so kurzweilig. Und das ist natürlich vor allem auch durch die Twists, aber auch durch diese ganze Dynamik. Dieser Film rauscht so an einem vorbei, im besten Sinne des Wortes. Der ist unglaublich schnell, unglaublich kurzweilig. Und niemand kann das so gut wie Billy Wilder, die Zeit verfliegen zu lassen bei einem Film.
Johannes Franke: Ja, absolut. Billy Wilder hat mal gesagt, es gibt drei wichtige Regeln beim Filmemachen. Alle mit aufschreiben, bitte. Bleistift gezückt. Regel Nummer 1, du sollst nicht langweilen. Nummer 2, du sollst nicht langweilen. Und du sollst nicht langweilen. Das waren seine wichtigsten Regeln. Und er hat dann nochmal später ein bisschen ausführlicher Sachen gesagt, 10 Regeln des guten Filmemacherns, die nicht alle nur sind, du sollst nicht langweilen. Die aber sehr interessant sind. Also ich werde die jetzt nicht alle runterrattern, weil es zu viel ist, aber schaut euch Billy Wilder an, wie er... in Gesprächen mit anderen Regisseuren ist und erzählt, wie Filmemachen funktionieren soll. Nicht alles ist heute anwendbar.
Florian Bayer: Ich würde ganz viel widersprechen von dem, was du sagst.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Ich finde sogar, selbst diesen drei goldenen Regeln kann man widersprechen. Filme dürfen auch langatmig sein oder auch zäh sein.
Johannes Franke: Ja, ja, aber ich finde es wahnsinnig interessant, an diesen Regeln, Regeln sind dazu da, gebrochen zu werden, aber Regeln sind auch dazu da, vor allem gekannt zu werden. Ja. Weil wenn du die Regel kennst, kannst du sie brechen. Wenn du sie nicht kennst, dann brichst du sie vielleicht aus Versehen, aber dann brichst du sie vielleicht auch auf eine Art und Weise, die nicht gerade hilft.
Florian Bayer: Ja, total. Und Billy Wilder hält sich selbst, glaube ich, an diese Regeln. Vor allem, du darfst nicht langweilen.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und das macht er in all seinen Filmen großartig. Das ist wirklich, also das ist so ein ganz wichtiges Merkmal von Billy Wilder, dass er es einfach schafft, die Zeit verfliegen zu lassen. Und in diesem Film, das immerhin ein Gerichtshilm ist, ein Kammerspiel mit einem relativ einfachen Plot und trotzdem auf zwei Stunden, gelingt ihm das erstaunlicherweise auch. Ja. Du merkst gar nicht, wie die Zeit verfliegt.
Johannes Franke: Ein kleines bisschen möchte ich widersprechen bei diesem Film, weil ich zwischendurch schon das Gefühl hatte, ah. Also ich meine, ich frage mich zwar die ganze Zeit, warum zur Hölle macht diese Frau das, dass sie ihn irgendwie in die Scheiße reiten lässt, weil wir ja auch das mit den Briefen noch nicht hatten und so, unser Fake-Out. Ich die ganze Zeit da denke, warum macht sie das? Ich will wissen, warum sie das macht, um Gottes Willen. Aber das ist eigentlich die einzige große Emotion, die ich überstrecken habe. Und das ist mir manchmal ein bisschen zu wenig. Ja,
Florian Bayer: Emotionen komplett überbewertet.
Johannes Franke: Nein, aber ich habe das Gefühl, jetzt ist er aber doch sehr geradeaus, auch wenn ich noch nicht genau weiß, warum. Aber irgendwie ist er mir zu geradeaus. Dass er am Ende dann plötzlich sieben Twists macht. Ich weiß nicht, ob es das rausreißt, aber er hat dann halt zwei Stunden lang was aufgebaut, um am Ende dann ganz, ganz viel passieren zu lassen. Es ist schon ein bisschen, ich finde, die Länge macht sich schon ein bisschen bemerkbar hier.
Florian Bayer: Ich finde, Billy Wilder ist einfach kein Meister der Emotionen. Billy Wilder ist ein Meister der Unterhaltung. Ich würde jetzt auch sagen, bei Filmen wie Manche mir ins Heiß bin ich jetzt nicht emotional sonderlich tangiert. Und auch bei Das Apaten, der ja irgendwie so sein emotional dichtester Film ist. Selbst da würde ich sagen, gehe ich jetzt nicht so krass emotional mit, sondern schätze andere Sachen an dem Film.
Johannes Franke: Ja, vor allem ist bei ihm, wie bei Agatha Christie eben auch, die Konstruktion der Story einfach gut. Also wirklich großartig zusammen konstruiert, sodass man da komplett gut durchkommt.
Florian Bayer: Ja. Und deswegen war auch Agatha Christie vollkommen zu Recht begeistert und hat gemeint, die Filme, die ich angucke, sonst meine Verfilmungen, das ist ein totaler Scheiß. Aber der hier ist wirklich gut. Der ist wirklich gelungen.
Johannes Franke: Das sollte sie noch zu einem weiteren sagen. Ich glaube, das war der Mord im Orient Express, aber ich bin mir nicht mehr ganz sicher. Aber es gab einen weiteren, den sie auch wirklich gut fand.
Florian Bayer: Hot Take. Der Mord im Orient Express. Es gibt keinen guten Mord im Orient Express Film. Was aber daran liegt, dass das Mord im Orient Express Buch schon schlecht ist.
Johannes Franke: Echt, ja? Ja.
Florian Bayer: Das Problem, achten, jetzt kommt nochmal ein Spoiler, Leute. Ja? Mord im Orient Express hat das dümmste Ende einer Mystery Story ever. Weil sie es einfach auflösen mit jeder Verantwortlichkeit. Es ist so billig. Es ist total cheap.
Johannes Franke: Ich meine, Agatha Christie hat alles durch. Was soll sie denn mal noch machen? Ja, aber echt. Da kann man doch mal alles für dich senden.
Florian Bayer: Jeder hat ein Motiv. Jeder hat... die Möglichkeit ist zu haben, und du musst jetzt einfach jemanden finden, meinetwegen zwei, aber du sagst nicht, ah, okay, und dir warten es alle, weil dann wird der Film komplett seiner Sinnhaftigkeit beraubt.
Johannes Franke: Nein, nein, nein.
Florian Bayer: Schrecklich, was hat sie sich dabei gedacht?
Johannes Franke: Nein, ich finde es ganz toll, weil das ja auch hergeleitet wird, weil alle sich absichtlich auf diesen Zug begeben haben, um genau das herzubekommen.
Florian Bayer: Es ist so billig. Ich mag das wirklich nicht. Ich finde, das ist wirklich, wirklich schlechtes Storytelling.
Johannes Franke: Wenn ich dich mal richtig ärgern will, gebe ich dir einen Film. Also welche Verfilmung auch immer. Vielleicht die letzte, die es gibt.
Florian Bayer: Die habe ich nicht gesehen. Ich habe die aus den 70ern, gab es zwei oder so. Ich tatsächlich mag, finde ich die Verfilmung auch gut. Aber ich finde die Story, ich finde es ist echt eine schwache Story. Also vor allem für Agatha Christie Verhältnisse, weil sie einfach viel mehr kann. Aber um das vielleicht noch dazu zu sagen, Miss Marple viel, viel, viel, viel, viel größer als Hergolet Poirot.
Johannes Franke: Größer im Sinne von besser. Ja,
Florian Bayer: auf jeden Fall. Ich würde Miss Marple jederzeit Poirot vorziehen.
Johannes Franke: Ja. Vielleicht stimme ich da auch zu. Aber da müsste ich länger drüber nachdenken. Da haben wir jetzt keine Zeit. Wir wollen diesen Film besprechen.
Florian Bayer: Wir fangen ja nochmal ganz kurz bei... Jetzt müssen wir mal, Agatha Christie, wenn wir es gesagt haben, wie englisch und wie amerikanisch ist dieser Film? Oh,
Johannes Franke: wie englisch und wie amerikanisch ist dieser Film? Der ist schon sehr amerikanisch, muss man sagen.
Florian Bayer: Sie bemühen sich wirklich sehr englisch zu sein. Sie haben ja diese witzigen Perücken und ein sehr englischer Gerichtssaal mit Orderrufen und so weiter. Sie versuchen sehr viel, dass es so englisch wirkt und gleichzeitig fühlt es sich aber voll amerikanisch an.
Johannes Franke: Ja, total.
Florian Bayer: Und das ist natürlich, Billy Wilder ist halt auch ein sehr amerikanischer Regisseur.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Und das Stück ist ja auch schon mal einmal durch die amerikanische Mühle gegangen, als es zum Stück wurde. Aber was ist es, was den Film so amerikanisch macht?
Johannes Franke: Ich habe das Gefühl, dass ein ganz starkes Stück Patriotismus durchschwingt. Ich weiß nicht genau, durch welche Lines oder so, aber dieser Chordroom macht so einen starken patriotischen Vibe auf, dass das vielleicht...
Florian Bayer: Ein bisschen.
Johannes Franke: Ja,
Florian Bayer: die Art, was sie machen. Also ich meine auch diese ganze Geschichte Soldaten, die in Deutschland sind. Ja, es waren auch britische Soldaten in Deutschland, aber es ist schon eher so ein amerikanisches Trope, dass erzählt wird, dass er seine Frau in Deutschland kennenlernt, weil er da stationiert war als Soldat.
Johannes Franke: Stimmt, das ist sehr amerikanisch.
Florian Bayer: Und dann auch dieses, was er mit Emily French macht, also dieses ins Kino gehen. Also im Kino, also Kino ist so amerikanisch. Und dann auch diese Wutauswahl, das hat alles so sehr viel von so amerikanische Comedy-Vibes.
Johannes Franke: Ja. Okay. Ja.
Florian Bayer: Aber ich kann jetzt auch nicht so drauf zeigen, was so amerikanisch ist, weil ich finde, sie bemühen sich wirklich doll, das britisch zu machen, aber es kommt nicht britisch rüber.
Johannes Franke: Sind die afrikanischen Mitbringsel, die ja sehr problematisch sind in diesem Film, sind die so ein... ein Wink in Richtung britischer Kolonialismus.
Florian Bayer: Das gehört so zu diesen Momenten, sie machen so viel, um britisch zu wirken. Und dazu gehört der Kolonialismus, dazu gehört, dass man einfach mal ein paar englische Taxis sieht, dazu gehört, dass sie im Gerichtssaal alle englisch sind und diese Perücken tragen und so weiter, aber irgendwie ist es trotzdem, du guckst die ganze Zeit einen amerikanischen Film.
Johannes Franke: Oh mein Gott, was ist das für eine Musik?
Florian Bayer: Was war das? Wo sind wir? Ich glaube, wir wurden rausgerissen.
Johannes Franke: Aber wohin?
Florian Bayer: Oh mein Gott, Johannes.
Johannes Franke: Ja?
Florian Bayer: Ich befürchte, wir befinden uns in einer Self-Promo.
Johannes Franke: Oh nein!
Florian Bayer: Ganz schnell, ganz schnell, damit wir zurück zum Gespräch können. Was müssen wir machen? Was müssen wir sagen?
Johannes Franke: Wir müssen den Leuten unbedingt sagen, dass sie uns abonnieren sollen, wo auch immer sie sind, also auf Spotify oder Apple oder sowas.
Florian Bayer: Beam, whatever, was ihr auch noch nutzt.
Johannes Franke: Also abonnieren und anderen sagen, dass sie uns abonnieren.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Wenn euch die Folge gefällt, gebt uns gerne Sterne, Herzchen, Daumen hoch, was auch immer euer Podcatcher anbietet.
Johannes Franke: Genau, und wenn sie euch nicht gefällt, dann schickt diese Episode weiter an eure Feinde oder eure Nachbarn oder so.
Florian Bayer: Und wenn ihr uns Feedback geben wollt, wir freuen uns total über jeden Kommentar an Johann. kannes-muss-man-sehen.de oder florian-muss-man-sehen.de.
Johannes Franke: Genau, schickt uns Filmvorschläge und so weiter.
Florian Bayer: Wir sind schnell durchgekommen. Ja, jetzt schnell raus,
Johannes Franke: schnell wieder zurück ins Gespräch. Was ich übrigens ganz, ganz toll finde, ist die Pillen.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Die Pillen, die quasi eine Uhr darstellen.
Florian Bayer: Uh.
Johannes Franke: Ich finde es total großartig, weil du hast ja die ganze Zeit diesen Typen, der da sitzt, also unser Anwalt, und seine Pillen da aufreiht in so einem Muster. Und dann haben wir Schnitt für Schnitt für Schnitt und es werden weniger Pillen. Und er soll ja eine Pille pro Stunde nehmen.
Florian Bayer: Ja, das ist schön.
Johannes Franke: Und das ist großartig. Wir haben da eine Uhr, ohne eine Uhr zu zeigen. Und das ist so diese Ticking-Timebomb-mäßig so ganz subtil mit reingebaut. Das ist Billy Wilder. Es ist unglaublich, was der für Ideen für so was hat.
Florian Bayer: Und es ist ja, es ist gar nicht so, also es ist nicht krass, es sind nicht krasse Bilder. Also Billy Wilder ist so, ich würde mal sagen, relativ konservativ, was so die Bildsprache betrifft. Wir haben auch, glaube ich, schon öfter mal drüber geredet, dass Billy Wilder halt auch so ein sehr Autor ist. Und Autor und Filmer. Und dass die Kamera bei ihm vielleicht so ein bisschen hinten angelagert ist.
Johannes Franke: Ja,
Florian Bayer: aber... dafür macht es halt das, was es soll. Also die, es ist einfach immer so spot on und relativ schnörkellos, aber es reicht, um uns reinzuziehen und um uns mitzunehmen. Und da möchte ich nochmal hervorheben, ich liebe diese Totalen im Gerichtssaal, die wir auch ganz oft haben, aus den Publikumsrängen, so von oben runter und du hast sehr viele Köpfe und sehr viele Leute zwischendurch und wenn dann Aufregung ist und Staatsanwalt, Rechtsanwalt und Richter sich gegenseitig anschreien und das ist, das erzeugt so eine sehr schöne Naja, so ein bisschen auch eine chaotische Atmosphäre. Es ist immer dieser Ort des Chaos, wo jemand, in dem Fall der Richter, versucht Ordnung reinzubringen und immer nur so halb erfolgreich ist.
Johannes Franke: Der Richter ist aber auch ein Zyniker, muss man sagen, oder?
Florian Bayer: Ja, auf jeden Fall.
Johannes Franke: Und ein bisschen auf der Seite der Verteidigung, habe ich so das Gefühl.
Florian Bayer: Ja, ja schon.
Johannes Franke: Weil er eben schon oft sagt, naja komm, lass ihn doch machen, lass ihn seine... Seine Argumente bringen... Und irgendwie, weiß ich nicht.
Florian Bayer: Man hat das Gefühl teilweise, dass dieser Sir Wilfrid, und das macht auch viel von seiner Rolle aus, den Gerichtssaal zu seinem eigenen Spielplatz macht. Der hat Spaß. Und die anderen, die dann gegen ihn arbeiten oder auch mit ihm arbeiten, haben vielleicht nicht so viel Spaß, weil das einfach stressig ist. Wenn da so ein kleines Kind ist, das sagt, jetzt kann ich hier noch mit meinen Beweisen, ich habe eine Idee, die muss ich unbedingt umsetzen.
Johannes Franke: Ich sage nur, Klinging Brunette. Was für einen Blick der drauf hat, als er versteht, was Klinging Brunette bedeuten soll. Ja. Und er hat so einen Spaß dabei. Und er macht aus dieser kleinen Rolle wirklich etwas, was einem im Kopf bleibt. Ich finde, den Schauspieler, der hat das wirklich gut gemacht.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Es ist, das haben wir vielleicht am Anfang, oder ich habe das vergessen am Anfang zu sagen, dieses Kindliche, dass er ganz viel drin hat. Diese kindliche Freude, die hinter dem Krummeligen verborgen ist, die aber immer wieder durchscheint. Und vor allem auch, wenn es so ein bisschen fieser wird. Ich brauche unbedingt auch so einen Monokel, wenn ich so alt bin.
Johannes Franke: Der Monokel ist großartig. Ich finde den Monokel ganz toll, auch wenn ich nicht ganz genau weiß, wie zur Hölle man Leute zum Geständnis bringen soll mit einer Reflexion eines Monokels.
Florian Bayer: Das ist total Bullshit.
Johannes Franke: Völliger Bullshit. Aber ich finde toll, dass es sich am Ende noch auslöst, weil am Anfang ist er ja nur da, um irgendwie Reflexionen in Gesichter zu bringen. Und dann spielt er während der Verhandlung mit... Nockel rum, was er übrigens nicht abgeschaut hat von seinem eigenen Anwalt. Ja,
Florian Bayer: genau. Er hat den Anwalt, der auch Marlene Dietrichs Anwalt war. Ja, genau. Er hat die Rolle an seinem Anwalt und Marlene Dietrichs Anwalt orientiert. Ja.
Johannes Franke: Und dann spielt er damit rum während der Verhandlung. Und dann am Ende, als alles rauskommt, spielt er nochmal damit rum. Und zwar nicht ganz ohne Hintergedanken. Denn dann kommt eine Reflexion auf das Messer. Und da wir in Zeiten des Hays Code leben... Ist das so? Ja, ne? Wir sind da noch.
Florian Bayer: Wir sind voll drin. Wir sind voll in Zeiten des Haze Codes.
Johannes Franke: Darf er nicht irgendwie deutlicher darauf hinweisen, dass sie jetzt das Messer nehmen könnte, um ihn umzubringen, den Mörder? Aber er macht das mit dem Licht, das er reflektiert. Wir sehen auf dem Messer die Reflektion von dem Monocle.
Florian Bayer: Du meinst, er bringt eigentlich, will er,
Johannes Franke: dass sie ihn umbringt? Ja, er hat da durchaus eine Absicht.
Florian Bayer: Oh, guter Twist auch noch. Den kannst du noch als Twist Nummer 8 mit draufpacken. Da hab ich noch gar nicht drüber nachgedacht. Nummer 10, keine Ahnung, auf jeden Fall. Ja, es geht am Schluss sehr schnell mit den Twists, ne? Und man hat so das Gefühl, nee, ich hab's eigentlich nicht. Ich kann mich immer reinversetzen, der sagt, das sind mir zu viele. Ja. Ich find's geil.
Johannes Franke: Ich find's auch geil. Ja, ja, total. Es ist auch... Der Film hat sich's auch verdient. Auf jeden Fall. Der Film hat lang genug das einfach aufgebaut, diese Spannung. Und das muss jetzt auch entladen werden mit den ganzen, ganzen, ganzen Sachen.
Florian Bayer: Und um das vielleicht nochmal zu sagen, als ich den zum ersten Mal gesehen habe, es gibt gar nicht so viele Filme, wo ich wirklich überrascht war, sodass ich sage, boah, diese Überraschung ist was richtig Wesentliches für meine Filmunterhaltung. Ja. Da würde ich das Sixth Sense auf jeden Fall nennen.
Johannes Franke: Ja, natürlich, das ist klar.
Florian Bayer: Und die Adas auch noch. wobei ich es da schon ein bisschen geahnt habe, die muss ich rausnehmen.
Johannes Franke: Aber da muss ich ihn mal bei meiner Liste, weil das war wirklich, da saß ich davor und dachte, oh mein Gott,
Florian Bayer: okay. Es gibt halt, es gibt einfach, es gibt so eine wirklich traurige Liste von Filmen, bei denen ich es vorher erfahren habe. Zum Beispiel Fight Club. Ich bin sehr traurig, dass ich das vorher wusste. Ja,
Johannes Franke: hattest du erzählt.
Florian Bayer: Und Empire Strikes Back, Star Wars, bin ich auch sehr traurig, dass ich es vorher wusste.
Johannes Franke: Das war aber auch fies, weil das wirklich jeder irgendwie dann rausgeblattet hat.
Florian Bayer: Es gibt Filme, wo ich es erraten habe, während des Films, weil ich auch, ich komme da nicht so ganz raus, ich neige dazu dann so in Filmen. Und es gibt Filme, wo ich es einfach lame fand. Und es gibt wirklich nur wenige Filme, wo ich sage, boah, die Überraschung war richtig geil, richtig wesentlich. Memento, The Sixth Sense und Folge in der Anklage wären glaube ich so meine drei, die ich ganz weit nach vorne packen würde,
Johannes Franke: was das betrifft.
Florian Bayer: Und es sind nicht viele.
Johannes Franke: Was ist mit Dr. Caligari? Oh,
Florian Bayer: gute Frage. Lass mich mal überlegen. Also als ich Caligari geguckt habe, wusste ich es nicht. Aber die Überraschung, weiß ich nicht mehr.
Johannes Franke: Wir haben auch über den Film lang geredet. Ja,
Florian Bayer: haben wir. Ich glaube bei Caligari, Caligari ist ein großartiger Film. Ich glaube mein liebster deutscher Stummfilm aus der expressionistischen Zeit, mein liebster expressionistischer Film mit Sicherheit. Ich glaube die Überraschung war einfach nicht so wesentlich. Aber ich wusste es vorher nicht und ich bin auch nicht drauf gekommen, aber es war auch nicht ein Film, wo ich mit einer Überraschung gerechnet hätte. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr so genau.
Johannes Franke: Auf jeden Fall ein spannender Plottwist. Einer der wichtigsten Plottwists, finde ich, der Filmgeschichte.
Florian Bayer: Und dieser Film, unter anderem auch was das betrifft, Plottwists im Gerichtssaal, aber generell auch so ein bisschen eine Blaupause für Gerichtsfilme, die ja so ein ganz eigenes Genre sind, ne?
Johannes Franke: Wow, du hast eine richtige Überleitung für uns.
Florian Bayer: Richtige Überleitung, Klingel.
Johannes Franke: Ich bin stolz auf dich, Plot. Top 3.
Florian Bayer: Ich liebe Gerichtsfilme.
Johannes Franke: Ist das so? Ja. Okay.
Florian Bayer: Ich finde Gerichtsfilme geil. Und zwar nicht mal so aus dem filmmacherischen Standpunkt. Ich mag einfach die Intensität und Spannung, die auf so engem Raum entsteht.
Johannes Franke: Du willst also, dass irgendwann mal in jedem Film jemand sagt,
Florian Bayer: You can't handle the truth. Genau, das will ich. Auf jeden Fall. Aber gleichzeitig gibt es auch viele, ich glaube, wenn ich meine Top 10 Lieblingsfilme aufzählen würde, wäre kein Gerichtsfilm drin. Einfach, weil Gerichtsfilme dann doch... irgendwie, ach ja, oft auch ein bisschen lame sind und oft auch so ein bisschen, dass man, wenn man sie sieht, dann denkt, ah ja, das ist so ein Klischee, weil Gerichtsfilme werden halt so durch diese Tropes vorangetrieben. Ich mag diese Tropes und gleichzeitig sag ich, ja, das spielt halt auch eine Rolle bei der Bewertung des Films.
Johannes Franke: Die haben halt mal irgendwann 30.000 Mal gesehen, das ist halt das Ding. Wenn du in so einem ganz spezifischen Umfeld bist, wie in einem Courtroom, dann ist einfach, dann passieren ganz bestimmte Dinge. Und dann... kommt man kaum drum rum. Lass uns mal in unserer Top 3 gucken, ob wir vielleicht die Tropes ein bisschen umschiffen können.
Florian Bayer: Ja, ich hab die Tropes voll drin, weil ich auch genau die Richtung mag, die die Tropes drin haben. Mein Platz 3, 5 Jahre nach diesem Film aus dem Jahr 1962 To Kill a Mockingbird, Wer die Nachtigall stört, basierend auf dem Roman von Harper Lee, wo erzählt wird, wie ein Anwalt im amerikanischen Süden in den 30er Jahren einen Schwarzen verteidigt und entsprechend Probleme hat. Das Ganze erzählt aus Sicht seiner Tochter. Die Courtroom-Scenes sind gar nicht unbedingt das Wesentliche, aber sie haben eine unglaubliche Intensität, eine unglaubliche Spannung und es ist wirklich einfach ein guter, spannender und auch bewegender Film.
Johannes Franke: Ich habe auf meinem Platz 3 eine Serie, eine Miniserie. Ich glaube vier Folgen. When They See Us. Über die Central Park Five, wo jugendliche Tatverdächtige verurteilt wurden, obwohl sie im Nachhinein gesehen unschuldig waren.
Florian Bayer: Das musste ich ausmachen. Ich hab den angefangen, ich hab's nicht ertragen.
Johannes Franke: Es ist wahnsinnig schwer zu ertragen.
Florian Bayer: Ich fand's richtig, also es hat mich so fertig gemacht, also ich hab halt auch einen Sohn, ne? Es hat mich so fertig gemacht, dass ich das nicht weitergucken konnte, weil ich's zu belastend fand.
Johannes Franke: Oh mein Gott.
Florian Bayer: Also es war wirklich, es ist super. Ich hab die, keine Ahnung, die erste Folge, glaube ich, ganz geguckt und dann so in der zweiten, irgendwann bin ich ausgestiegen, weil ich gesagt habe, ey, es geht gerade nicht. Das ist mir echt zu belastend.
Johannes Franke: Wobei die erste ja auch schon richtig dolle belastend war.
Florian Bayer: Ja, ja, also das ganze Ding ist so, es tut einfach weh.
Johannes Franke: Es ist wirklich hart. Und es ist eine Miniserie, äh... auf Netflix, glaube ich, zu kriegen aus dem Jahr 2019. Und die Jugendlichen werden einfach, weil sie schwarz sind, da reingeworfen als, ja, ihr seid schuldig, ihr wart da in der Nähe und wir haben gerade nichts Besseres. Und die Schwarzen sind ja immer schuld. Ja, und das war es dann für die und deren Leben ist so ruiniert. Also es ist eine wahre Geschichte und die wurde verfilmt. Und ja. Das findet halt viel in Courtroom statt. Also so viel vielleicht auch nicht, aber es ist für mich so genug Courtroom, dass ich denke, okay, das passt an die Liste.
Florian Bayer: Mein Platz 2. Ich weiß nicht, warum ich ihn drin habe, aber ich liebe ihn. Er ist eigentlich total seicht. Er romantisiert das Militär. Er hat Tom Cruise als Hauptdarsteller. Aber eine Frage der Ehre aus dem Jahr 1992 mit die elegantesten und schönsten Gerichtsszenen, die je ein Film hatte. Natürlich dank Jack Nicholson, aber auch dank Tom Cruise, der hier wirklich eine seiner besten Leistungen, wenn nicht sogar seine beste Schauspielleistung seiner Karriere hinlegt. Und einfach ein toller, spannender Film, der interessant erzählt ist. Und, ähm... super besetzt und einfach unglaublich edel inszeniert. Rob Reiner, 1992. Ja, der ist seicht. Ja, das ist Hollywood. Ja, wir mögen all das amerikanische Militär in diesem Film, aber trotzdem ist es ein guter Film.
Johannes Franke: Ich habe auf meinem Platz 2 Anatomie eines Falls, den ich im Kino gesehen habe vor einer Weile, den ich tatsächlich ziemlich gut fand, aber auch nicht ganz kritiklos gut fand. Ich fand ihre Schauspielleistung wahnsinnig gut und sie ist ja nicht umsonst auch für einen Oscar nominiert.
Florian Bayer: Leider nur nominiert.
Johannes Franke: Aber nominiert und nominiert ist, also das sind 90% des Gewinns. Es ist wirklich krass.
Florian Bayer: Er hat einen Oscar für das beste Original Drehbuch gewonnen, ne? Und ich hab ihn nicht gesehen. Ah,
Johannes Franke: okay. Ja, dann musst du den noch gucken. Ich weiß nicht ganz genau, ob wir ihn hier besprechen müssen, aber ich fand ihn tatsächlich sehr intensiv und sie spielt das so, dass man die ganze Zeit Teil des Gesprächs sein will. sie überlegt, wie als wenn sie mit uns zusammen darüber nachdenkt, was passiert ist, was das Ganze soll. Die ganzen Streitgespräche, die mit ihr stattfinden, sind so, dass man mit ihr streiten möchte zusammen, weil sie wirklich interessiert daran ist, nachzudenken und zu reden und zu was zu kommen. Ich finde es ganz, ganz toll. Ich finde, ganz, ganz wenige Schauspieler schaffen es, eine Diskussion so zu führen, on screen, dass man interessiert daran ist. darüber nachzudenken und das Ganze von allen Seiten anzuschauen. Cool.
Florian Bayer: Ich habe ja das Gefühl, die Oscar-Verleihung, die während zum Zeitpunkt dieser Aufnahme noch nicht so lange her ist, 2024, die war vollgepackt mit guten Filmen. Ja, vor allem. Es ist selten, es ist lange her, dass wir so ein gutes Academy Awards Jahr hatten. Ja. Und ich bin auch, ich habe ja Oppenheimer immer noch nicht gesehen. Muss ich zu meiner Erscheinung stehen. Aber ich bin sehr zufrieden mit diesem Verlauf der Oscar-Verleihung, auch mit den Auszeichnungen.
Johannes Franke: Ich habe sie mir komplett gegeben, tatsächlich.
Florian Bayer: Du hast die echt geguckt?
Johannes Franke: Ja, ich habe die echt geguckt.
Florian Bayer: Oh Gott. Ich finde so Awards-Zeremonien total schrecklich. Ich kann mir das nicht länger als fünf Minuten angucken. Das ist die Pest. Absolut. Egal ob Oscar oder Grammy oder Emmy, was auch immer, es ist schrecklich.
Johannes Franke: Wenn du einen Zettel hast, auf dem Kreuze drauf sind, was du glaubst, wer gewinnt,
Florian Bayer: ihr habt gespielt,
Johannes Franke: dann wird das Ganze interessanter.
Florian Bayer: Was war denn dein Tipp für den besten Film Oppenheimer wahrscheinlich?
Johannes Franke: Ich glaube ja. Ich habe sieben richtige gehabt.
Florian Bayer: Es war auch, vielleicht um das dazu zu sagen, es war ein relativ es war ein relativ überraschungsarmes Oscar, ja.
Johannes Franke: Das stimmt, ja.
Florian Bayer: Weil die Filme Mit denen man gerechnet hat, die ausgezeichnet wurden, das war schon irgendwie das, was zu sehen war.
Johannes Franke: Ja, genau. Aber das Problem war, dass man ganz viel bei ganz vielen Kategorien so drei Favoriten hatte. Ja. Wo man wirklich gedacht hat, ja, es könnte jetzt wirklich jeder von diesen dreien sein. Das ist schon krass, weil die Qualität einfach so hoch war von so vielen Filmen.
Florian Bayer: Ja, total. Und das ist auch mal schön, also auch wirklich diverse Filme und wirklich unterschiedliche Filme. Anatomie eines Falles, das wollte ich eigentlich sagen, steht bei mir auf jeden Fall auch ganz weit oben auf der Liste. Von diesen Oscar-Filmen, die ich jetzt irgendwie so peu à peu noch nachholen muss.
Johannes Franke: Ja, auf jeden Fall, das musst du.
Florian Bayer: Mein Platz 1 ist aus dem Jahr 1979 so ein bisschen so ein New-Hollywood-Nachläufer, würde ich behaupten. Und zwar von Norman Jewison, A Justice for All. Und Gerechtigkeit für alle im Deutschen. Mit Al Pacino als ziemlich korrupter Anwalt, der aber so nach und nach anfängt, das ganze Justizsystem zu hinterfragen und kritisch zu beobachten. Und mit einer ganz großartigen Szene, wo der Richter eben sagt, you are out of order. Und er sagt dann, I'm out of order. You are out of order. Und eine richtig schöne Explosion hat im Gerichtssaal. Toller Film.
Johannes Franke: Okay. Ich hätte auf Platz 1 12 Angry Men.
Florian Bayer: Ach, schön. Ja.
Johannes Franke: Das ist einfach der Klassiker und ich finde den so mutig und so gut, nur in diesem Raum spielen zu lassen und die das einfach verhandeln. Es gibt nichts Geileres, als wenn Regisseure es schaffen, dass man eigentlich nur einer Diskussion beiwohnt und dabei sein will. Man will an diesem Tisch sitzen und mitreden. Ja. Das ist wirklich toll. Ja. Und die Entwicklung, die da drinsteckt mit den ganzen Twists, jetzt nicht so die großen Plottwists wie bei diesem Film zum Beispiel hier, sondern einfach... man will dabei sein und mit rausfinden, was eigentlich passiert ist.
Florian Bayer: Was ich bei 12 Angry Men wirklich mag, ist, dass sie es nicht auflösen. Wir bleiben bei der Perspektive der Geschworenen am Schluss und bei ihrer Entscheidung und müssen die hinnehmen. Aber uns wird nicht verraten und so war es wirklich, sondern es ist halt so. Das war ein typischer Prozess. Geschworen haben miteinander geredet und am Schluss ist eine Entscheidung gefallen. Und ob die richtig war, wissen wir nicht. Und der Film verkauft uns natürlich sehr, dass sie richtig war. Aber es bleibt trotzdem so dieses Zweifelnde und es wird nicht aufgelöst. Das finde ich super.
Johannes Franke: Und es wirkt fast wie ein Gimmick, dass sie am Anfang alle dagegen sind und der eine, der dafür ist, der sie dann alle nach und nach um...
Florian Bayer: Es sind auch so ein paar Klischees dabei, auf jeden Fall. Aber der Weg dahin ist wirklich toll inszeniert. Ja. Tolles Kammerspiel. Ja.
Johannes Franke: Okay, ansonsten hätte ich noch Leier, Leier gehabt. Aber das habe ich mich nicht getraut reinzubringen.
Florian Bayer: Der Dummschwätzer, der wirklich ein guter Film ist, aber schon eine sehr seichte Familienkomödie. Ja.
Johannes Franke: Okay, dann gehen wir zurück in unseren Film. Das war... unsere Top 3. Da sind wir wieder.
Florian Bayer: Und ich glaube, wir können auch schon so langsam zu einem Fazit kommen, oder? Ich glaube auch.
Johannes Franke: Ich glaube auch. Oder hast du noch Last Minute Evidence?
Florian Bayer: Liar! Das ist echt hässlich, wie er zu ihr sagt, dass sie ein Lügner ist und dann dieses Wort Liar so raus
Johannes Franke: Buckt. Kannst dir gar nicht vorstellen, wie geil ich das finde, dass dieser Schauspieler das so gut macht. Weil der da wirklich, der arbeitet da richtig drauf hin und trotzdem sind wir wahnsinnig erschrocken und überrascht von diesem Leier. Das ist unglaublich, dass er so viel Kraft da drin steckt. Ich liebe diesen Schauspieler dafür, das ist super. Das ist eine Art zu spielen, die es heute selten gibt.
Florian Bayer: Ja, vielleicht. Es ist ja auch so ein bisschen drüber, aber es wirkt trotzdem nicht komisch in dem Moment. Vielleicht ein bisschen. Vielleicht ein bisschen misogyn. Das ist so, wenn man Männerfantasien, eine Frau einmal so anschreien zu können,
Johannes Franke: so
Florian Bayer: Leier als Leier anschreien zu können, das spielt vielleicht auch ein bisschen mit.
Johannes Franke: Naja,
Florian Bayer: ich lege das jetzt mal fest, das ist gerade zum Zeitpunkt dieser Podcastaufnahme im Jahr 2024, ist das mein liebster Billy Wilder Film.
Johannes Franke: Ja, dann kommen wir nicht drum rum, noch ganz viele andere Billy-Wilder-Filme anzuschauen, um das zu challengen. Na,
Florian Bayer: die wichtigsten, würde ich ja behaupten, haben wir gesehen.
Johannes Franke: Was?
Florian Bayer: Na, wir haben gesehen Boulevard der Dämmerung. Wir haben gesehen Manche mögen es heißen. Wir haben gesehen Das Apartment. Und ich weiß, der hat noch mehr gemacht und der hat auch noch mehr Gute gemacht. Ich habe ganz viele von dem auch noch nicht gesehen.
Johannes Franke: Ja, das ist halt das Problem.
Florian Bayer: Ich würde ja behaupten, das sind die wichtigsten.
Johannes Franke: Keine Ahnung.
Florian Bayer: Oh, okay. Ich freue mich auf den nächsten Billy Wilder Film von dir, weil das war echt schön. Ich habe mich echt gefreut, dass du mir den gegeben hast und es war schön, ihn mal wieder zu gucken. Cool.
Johannes Franke: Ja, ich habe kein großes weiteres Fazit. Wir haben eigentlich alles gesagt. Ich liebe diesen Film tatsächlich. Ich habe bloß zwischendurch diesen Dip, weil ich denke, ja, jetzt ist irgendwie alles so geradeaus und jetzt, wenn der so geradeaus endet, huch, oh, da ist ein Twist. Okay, na gut, dann bin ich jetzt wieder dabei.
Florian Bayer: Aber auf jeden Fall, da sind wir uns, glaube ich, einig, ein muss man sehen Film.
Johannes Franke: Auf jeden Fall, ein muss man sehen Film.
Florian Bayer: Wenn ihr wissen wollt, welchen muss man sehen Film, ich Johannes nächste Woche gebe, da bin ich nämlich dran. Bleibt noch kurz dran, ist auch eine Aufgabe für euch, weil, wie ihr mitgekriegt habt, wir spoilern ohne Ende. Das heißt, es macht auf jeden Fall Sinn, den Film gesehen zu haben, bevor wir... bevor ihr euch anhört, wie wir darüber reden. Und ansonsten euch danke fürs Zuhören. Ja,
Johannes Franke: schöne Woche euch allen. Und dann hören wir uns an dieser Stelle wieder, was auch immer ihr dann immer macht. Ich stelle mir immer vor, dass ihr joggen geht, während wir das machen.
Florian Bayer: Und weiter joggen. Tschüss. Tschüss. Ja, wir haben über die Oscars kurz geredet, die Oscars 2024 und zumindest to date, glaube ich, mein liebster Film aus diesem Jahr von den Oscars, den würde ich dir gerne geben und das ist Pur Things von Georgos Lantimos.
Johannes Franke: Einen aktuellen Film? Seit wann machen wir denn so aktuelle Filme, Floor? Ist ja unglaublich.
Florian Bayer: Komm, du hast mir vor nicht allzu langer Zeit das Mia Mermids Don't Cry gegeben. Dann darf ich dir auch einen Festival-Film geben. Pur Fings, ganz toll. Hast du ihn gesehen?
Johannes Franke: Ich habe ihn noch nicht gesehen. Ich werde wohl mal mich dann doch noch schnell ins Kino begeben müssen, weil der Film ist ja durchaus, glaube ich, für die große Leinwand, oder?
Florian Bayer: Es ist definitiv ein Film für die große Leinwand. Ich bin auch sehr froh, dass ich ihn im Kino gesehen habe, aber am Ende habe ich es nicht Ja, das ist die Frage. Wenn ihr das hört, werdet ihr ihn wahrscheinlich höchstens in Programmkinos sehen können. Das heißt, wer in der Stadt wohnt, wird vielleicht noch Glück haben. Es lohnt sich auf jeden Fall. Es ist ein Film für die große Leinwand. Wenn nicht, sorgt ihn euch anders. Ich kann nur sagen, es ist ein Muss-man-sehen-Film. Aber ob es wirklich einer ist, werden wir nächste Woche herausfinden.
Johannes Franke: Es gibt ihn auf Disney+, wenn er hier rauskommt. Also wenn unsere Folge rauskommt, sollte er inzwischen auf Disney+.
Florian Bayer: Gut zu wissen. Bis dahin. Ciao.
